Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Messi bleibt der ungekrönte König
Gegen den grandiosen Gastgeber Chile verliert der Weltstar mit Argentinien auch das Finale der Copa América
SANTIAGO DE CHILE - Wenn man allzu spöttisch wäre, könnte man ja sagen: Leo Messi hat sich tatsächlich sein Tor für das Finale aufgespart. Aber es war leider der einzige Treffer, den die argentinische FußballNationalmannschaft im Endspiel der Copa América erzielte, und es war erst im Elfmeterschießen. Und da im ohrenbetäubenden Pfeifkonzert von 45 000 Chilenen seinen Kollegen Gonzalo Higuaín und Ever Banega anschließend die Nerven versagten, bleibt der beste Fußballer der Welt weiter ein ungekrönter König im Trikot der Nationalmannschaft. Während man beim Zählen seiner Trophäen mit dem FC Barcelona kaum noch nachkommt, hat der 28-jährige Messi im weiß-blauen Trikot noch nichts gewonnen. Und dass sich das noch ändert, muss man bezweifeln. Messi wird bei der WM in Russland 31 Jahre alt sein.
Und für Vize-Weltmeister Argentinien war die verdiente Niederlage in diesem Abnutzungsmatch gegen den Gastgeber die zweite Endspielpleite in weniger als einem Jahr. Ein Makel, der dieser Generation außergewöhnlich hoch talentierter Fußballer immer anhaften wird: Die beiden aus ihrer Sicht wichtigsten Turniere in so rascher Abfolge zu verlieren, ist einzigartig.
Trainer Gerardo Martino, ein eigentlich kluger und reflektierter Mann, war nach der Elfmeter-Lotterie dann auch so angefressen, dass er nicht mal das Spielgeschehen richtig wiedergeben wollte: „Ich denke, wir hatten es ein bisschen mehr verdient zu gewinnen als der Gegner. Ich habe ein ausgeglichenes Spiel zwischen zwei exzellenten Mannschaften gesehen“, sagte er in den Katakomben des Nationalstadions, während sich draußen ein ganzes Land in rotweiß-blau zu einer historischen Feier bereit machte.
Nach der Niederlage wollte bei den Argentiniern lediglich Javier Mascherano reden und war dabei reif für die Therapeutencouch: „Das ist ein Tiefschlag, das ist Folter.“Tatsächlich steht der Mittelfeldspieler noch mehr als Messi für das Scheitern dieser Generation von Fußballspielern. „2004, 2007 und 2015 bin ich in den Endspielen der Copa gescheitert, das WM-Finale habe ich verloren. Liegt es an mir? Bin ich schuld?“, fragte sich der Spieler vom FC Barcelona. „Vielleicht sollten jetzt andere kommen.“
Vargas: „Wir schenken diesen Sieg dem chilenischen Volk“Ein statistisches Detail des Finales sagt eigentlich alles über dieses nie hochklassige, aber ausgesprochen intensive Match aus: Argentinien schoss zweimal aufs Tor der Chilenen und damit genauso oft wie auf der anderen Seite der Mittelfeldspieler Arturo Vidal auf das der Argentinier. Die Mannschaft mit der besten Offensive auf der Welt blieb angesichts eines äußerst aggressiven Pressings der Chilenen wirkungslos. Messi, Sergio Agüero, Javier Pastore und der früh verletzte Ángel Di María kamen nie wirklich zum Zug.
Auf der anderen Seite hat Chile dieses Turnier am Ende hoch verdient gewonnen. Vom ersten Spiel an hat man dieser Mannschaft angemerkt, dass sie es mehr wollten als alles andere. Die Spieler um den argentinischen Trainer Jorge Sampaoli hatten diese Jetzt-oder-Nie-Mentalität verinnerlicht, darum wissend, dass sie nur dieses eine Mal die Chance haben, zu Hause für ihr titelloses Land etwas zu gewinnen. „Wir haben Geschichte geschrieben, das muss man sich erst mal klar machen. Wir schenken diesen Sieg dem chilenischen Volk“, sagte Eduardo Vargas hinterher, der mit vier Toren gemeinsam mit Perus Paolo Guerrero, dem früheren Bayern- und HSV-Profi, bester Torschütze der Copa wurde. 99 Jahre und 43 Ausgaben des ältesten Nationenturniers der Welt musste Chile darauf warten, die unhandliche Copa endlich einmal in die Luft stemmen zu dürfen.
Ganz Chile hat in den vergangenen Wochen mit seiner „Roja“gefiebert und begeistert zugesehen, wenn die elf Spieler in rot bei jeder Partie wie Krieger in eine Schlacht zogen und im Hochgeschwindigkeitstempo ihren vertikalen Überfallfußball durchsetzten. Die Mannschaft um Torhüter Claudio Bravo (FC Barcelona), Verteidiger Gary Medel (Inter Mailand) sowie Alexis Sánchez (FC Arsenal) und Arturo Vidal (Juventus Turin) war die überzeugendste und offensivste der Copa, die immer bedingungslos und manchmal besinnungslos auf Sieg gespielt hat. Phasenweise spielten sie so, als seien sie auf Speed unterwegs. „Ob diese goldene auch die beste Fußballer-Generation unseres Landes wird, bemisst sich daran, ob sie Titel holen können“, sagte etwa Leonardo Véliz, ExNationalspieler und WM-Teilnehmer Chiles 1974. „Wenn sie eine der besten Mannschaften der Welt mit dem besten Spieler der Welt schlagen, dann verdienen sie den Titel und wie verneigen uns vor ihnen.“
Chiles Copa- Gewinner Arturo Vidal, der frühere Profi von Bayer Leverkusen, sieht seine Zukunft bei Spaniens Rekordmeister Real Madrid. Laut „ Gazzetta dello Sport“hat sich der Mittelfeldspieler von Champions- LeagueFinalist Juventus Turin bereits mit den Königlichen auf einen Wechsel verständigt. Vidal erhalte einen Fünfjahresvertrag bis 2020 und ein Gehalt von 5,5 Millionen Euro pro Saison. Der Haken: Vidals Vertrag in Turin läuft noch bis 2017, und die Italiener wollen ihn halten. Skandal- Profi Vidal war vor zwei Wochen bei der Copa in einen schweren Autounfall unter Alkoholeinfluss verwickelt. ( SID)