Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Einer der ganz Großen gibt sich hautnah
Trompeter Reinhold Friedrich und Pianistin Eriko Takezawa gastieren bei Allgäu-Konzerten
- Wenn Christian Segmehls Allgäu-Konzerte hierzulande gastieren, ist eines sicher: Die Qualität stimmt und die Atmosphäre gleich mit. Am Donnerstagabend war es kein Geringerer als einer der weltbesten Trompeter. Reinhold Friedrich und dessen Frau, die Pianistin Eriko Takezawa, präsentierten in der nahezu ausgebuchten Leutkircher Festhalle einen hautnahen Konzertabend, der es in sich hatte. Musikalisch wie menschlich, sind doch beide über ihr Können hinaus brillante Entertainer.
Wenn sich die Tür öffnet und Eriko Takezawa und Reinhold Friedrich den Saal betreten, dann leuchten diese beiden Menschen. Sie erzeugen im selben Moment eine so hohe Präsenz, dass man ihnen schon erliegt, bevor sie auch nur einen einzigen Ton spielen. Sie in einem orangefarbenen langen Kleid, er fast in einem modernen, an Barockes erinnernden Anzug.
Für Friedrich ist die Trompete, wie er kürzlich in einem Interview als Artist in Residence der Thüringen Philharmonie GothaEisenach 2023/2024 erklärte, die Krone der Evolution der Musik. Schließlich habe Johann Sebastian Bach die Trompete immer ganz oben in die Partitur geschrieben, damit sie Gott am nächsten sei. Vor über 20 Jahren haben sich Friedrich und Segmehl kennengelernt. „Mal was zusammen machen“stand seitdem auf dem Plan, nur dauerte es dann doch länger, bis es jetzt geklappt hat. Etwas Populäres zu spielen, damit auch die Leute aus den regionalen Musikkapellen kommen, habe Segmehl ihm geraten.
Diesem Anliegen ist er mit Jeremiah Clarkes Trumpet Voluntary in D-Dur oder auch mit Johann
Nepomuk Hummels E-Dur-Konzert entgegen kommen. Und das auf äußerst charmante und hochprofessionelle Weise. Leidenschaft zeichnet diese beiden Ausnahmekünstler aus, die jeden Moment spürbar ist. Mit Takezawa hat er eine Pianistin an seiner Seite, deren Klavierparts mit der Trompete gleich auf sind. Sie studierte an der Karlsruher Musikhochschule bei Naoyuki Taneda und Wolfgang Manz und tritt ebenfalls international auf, vor allem kammermusikalisch mit Bläsern.
Sie am Flügel zu erleben, ist ein Ereignis. Nicht, weil sie eine große Ernsthaftigkeit herausstellen würde, sondern gerade darum, weil sie es nicht tut. Sie strahlt selbst in technisch hochkomplexen Partituren von Frédéric Chopins Fantaisie impromptu op. 66 und Claude Debussys berühmten Claire de Lune eine beeindruckende Leichtigkeit aus, dass man fast glauben möchte, das Klavier habe sich verselbständigt. Ihre Zugewandtheit der Musik und dem Publikum gegenüber nimmt einen augenblicklich gefangen. So in Bachs wohltemperierten Präludium und Fuge b-Moll, sobald sich Fünfstimmiges wie über dem Boden zu erheben scheint, um sich selber kreist und aus der Schwere der Molltonart herausfindet.
Wer den 1958 in Weingarten in Baden geborenen Friedrich kennt, der seit über 40 Jahren weltweit als Solotrompeter und Pädagoge unterwegs ist, der weiß, dass er in allen Registern auftrumpft. In Alter wie in Neuer Musik. Das bezeugte am Abend die Welturaufführung von „Naqsh-e Jahan“für Trompete und Klavier aus der Feder des iranischen Komponisten und Filmemachers Fereydoun Bahrami, Jahrgang 1992.
Er habe das Stück Friedrich auf den Leib geschrieben. Getroffen hätten die beiden sich bisher nicht, nur einmal gechattet. Es handelt von der Stadt Isfahan. Von dessen Verfall und Aufstieg, von leichter Trauer und Schwermut, von Aufgewühltheit, die sich bis in höchste Lagen steigert, zu der eine Trompete fähig ist. Es ist ein mitreißendes und stark bewegendes Stück, das nachdenklich stimmt – auch vor dem Hintergrund der Geschehen im Nahen Osten. Hier verwies Friedrich auf die Barenboim-Said-Akademie in Berlin, wo derzeit alles aufeinander treffe, doch sich die Schule weiterhin bemühe, Brücken zu bauen und was Besseres zu machen, als das, was wir aus den Nachrichten erfahren.
Das Finale bestritten sie gemeinsam mit Segmehl am Altsaxophon zu Jean Riviers Concerto. Entstanden 1971, stellt es höchste Ansprüche an die Ausführenden in rasanten Wechseln aus poetischen und wettstreitenden Passagen.
Da konnte einem wie Friedrich schon mal der Schweiß von der Stirn perlen, aber ans Aufhören denken? Nein, er besann sich auf die Klassiker der Blasmusik. Zu stehenden Ovationen erklang Friedrich Gottlieb Kloppstocks Ode „Behüt´ dich Gott“und eines der unwiderstehlichsten Werke auch für Trompeten und Saxophone – Ennio Morricones „Gabriel´s Oboe“.