Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
HNO-Ärzte wollen Kinder-Operationen aussetzen
Weil die Krankenkassen seit Jahresbeginn weniger Geld erstatten, ruft ein Mediziner-Verband zu Protest auf
- Die Wartezeit für eine ambulante Mandeloperation bei Kindern beträgt im Allgäu derzeit mehrere Monate. Jetzt drohen bestimmte Eingriffe vorerst ganz auszufallen. Weil die Krankenkassen seit Jahresbeginn dafür weniger Geld erstatten, ruft der Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte zu einem Stopp der Kinderoperationen auf. Nicht davon betroffen seien akute Fälle.
„Wir stehen vor einem finanziellen Desaster“, sagt der bayerische
Landesvorsitzende Bernhard JungeHülsing auf Anfrage unserer Redaktion. 90 Prozent der ambulanten Kinderoperationen der niedergelassenen HNO-Ärzte könnten nicht mehr kostendeckend durchgeführt werden. Der Protest solle auf diesen Missstand hinweisen. „Wir fordern die Politik auf, das so schnell wie möglich zu ändern.“Die Bereitschaft der HNO-Ärzte, an der Aktion teilzunehmen, sei bundesweit sehr groß. Wie die Stimmung unter den 86 niedergelassenen HNO-Ärzten im Bezirk Schwaben ist, lässt sich indes nicht einschätzen. Der Bezirksvorsitzende
will sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht äußern. Fakt ist indes: Nur noch wenige HNO-Ärzte in Schwaben bieten laut Junge-Hülsing überhaupt noch ambulante Kinderoperationen an.
Zu ihnen gehört der Kemptener HNO-Arzt Florian Roßkopf. Er sieht sich jetzt jedoch gezwungen, Operationen zur Entfernung der Rachenmandeln (kindliche Polypen) vorerst nicht mehr anzubieten. „Mir fällt die Entscheidung nicht leicht. Ich habe lange überlegt, ob ich das mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Doch es kann nicht sein, dass ich als
Arzt bei einer Operation draufzahlen muss.“Roßkopf rechnet vor: 107 Euro erstatten ihm die gesetzlichen Krankenkassen aktuell für eine Polypen-Operation bei Kindern. Für den etwa halbstündigen Eingriff müsse er jedoch allein 90 Euro Miete in einem ambulanten OP-Zentrum bezahlen. Dazu kommen für ihn Kosten für Material und die Sterilisation des Bestecks. „Das geht sich nicht mehr aus“, sagt Roßkopf. Auch die Arbeit der Anästhesisten werde mit 180 Euro viel zu gering honoriert.
Eltern bekommen in betroffenen Praxen derzeit ein Info-Blatt über den Protest. Sie werden von den Ärzten gebeten, Protestbriefe an die Krankenkassen und Bundestagsabgeordneten zu schreiben. Ziel ist es, dass bei der nächsten Verhandlungsrunde Ende März die Sätze nach oben angepasst werden. JungeHülsing fordert jeweils 700 Euro für Operateur und Anästhesist, wie er unserer Redaktion erklärte. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ruft die Verbände unterdessen dazu auf, „ihre Anliegen nicht zulasten der Gesundheit von Kindern auszutragen“, wie er in einem Interview erklärte.