Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Finanzierung der Hangsicherung noch nicht geklärt
Vom Wangener Stadtrat bis zum Bundestagsabgeordneten: Viele wollen helfen, konkret wird es bislang nicht
PRIMISWEILER - Nach dem Hangrutsch in Rhein beginnen die Vorbereitungsarbeiten für die Sicherung des Hangs. Neue Untersuchungen sollen zeigen, ob der Hang überhaupt noch tragfähig ist. Ob die Grundstücksbesitzer bei der teuren Sanierung unterstützt werden, steht jedoch weiterhin in den Sternen.
Am abgerutschten Hang im Schomburger Weiler Rhein wird wieder gearbeitet. Am Mittwoch wurde die Schutzplane vorübergehend entfernt, damit die Fläche via Drohne aus der Luft kartiert werden konnte. Außerdem sind Mitarbeiter des Bauhofs aktuell damit beschäftigt, einen Graben anzulegen, damit das noch immer aus dem Hang fließende Wasser kontrolliert ablaufen und der Rest der betroffenen Hangfläche samt Senke endlich abtrocknen kann. Im Anschluss wird die Folie wieder über der Rutschfläche ausgebreitet, um diese weiterhin vor Regenwasser zu schützen.
Außerdem wurde das Gebiet noch einmal von einem Geologenteam genau unter die Lupe genommen, das weitere Informationen über die Gefährdungslage vor Ort sammelt. Wie Grundstücksbesitzer Reiner Dürrenberger auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“erklärt, soll der Hang in einem nächsten Schritt von unten mittels einer extra angelegten Baustellenstraße zugänglich gemacht werden.
Ziel ist es, Probebohrungen durchzuführen, um ermitteln zu können, ab welcher Schicht der Hang grundsätzlich noch tragfähig ist. „Wir müssen rausbekommen, wo man später mit der Hangsicherung überhaupt anfangen kann“, so Dürrenberger. Durchgeführt werden die Bohrungen dann mittels eines sogenannten Schreitbaggers, der speziell für das Arbeiten an Steilhängen konzipiert ist. Die
Rechnungen für all diese aufwändigen, aber notwendigen Maßnahmen gehen bislang noch an die Stadt Wangen. Diese habe auch die Aufträge an die jeweiligen Firmen erteilt, wie Dürrenberger berichtet. Wer die Rechnungen dann aber im Endeffekt bezahlt, ist noch nicht geklärt. „Ob die Rechnungen dann später auf unsere Gesamtrechnung für die Sanierung des Hanges obendrauf kommen, wissen wir nicht“, beschreibt der Grundstücksbesitzer die für ihn weiterhin schwierige Situation. Bislang habe ihm diese Frage noch niemand beantworten können. Im schlimmsten Fall drohen der Familie Dürrenberger Rechnungen in Millionenhöhe für die Wiederherstellung der Sicherheit am Hang (die „Schwäbische Zeitung“berichtete). Was die finanziellen Konsequenzen des Naturereignisses
für ihn und seine Familie angeht, sei man im Prinzip auf dem gleichen Wissensstand wie am Tag des Ereignisses selber. Daran konnte auch der Besuch des Landtagsabgeordneten Raimund Haser (CDU) nichts ändern. Auf Einladung der Familie hatte dieser sich vergangene Woche persönlich ein Bild von der Situation vor Ort gemacht. „Wirkliche Hoffnung konnte auch er uns nicht machen“, fasst Dürrenberger den Besuch rückblickend zusammen. „Er hat uns aber zumindest zugesagt, dass er sich weiter um Hilfen vom Land bemühen wird.“Ähnliches sagte später auch der Bundestagsabgeordnete Axel Müller (CDU) am Telefon zu. Auch er werde laut Dürrenberger weiter nach Möglichkeiten suchen, der Familie zu helfen. „All das ist leider nichts Konkretes, aber es ist zumindest ein gutes Gefühl zu wissen, dass es Menschen gibt, die sich für uns einsetzen wollen“, betont Dürrenberger den positiven Aspekt dieser für ihn so unbefriedigenden Situation.
„Wir dürfen die Familie mit diesem Schaden nicht alleine lassen“, äußerte sich der Abgeordnete Haser dann auch im Nachgang des Besuchs im Rahmen einer Pressemitteilung. Er wolle die Stadt Wangen bei ihrem Bemühen um die bauliche und finanzielle Lösung nach besten Kräften unterstützen. In der Mitteilung erinnert er an ähnliche Fälle in den vergangenen Jahren in BadenWürttemberg. „Für so etwas gibt es im Landeshaushalt keinen eigenen Posten. Aber wir hatten in der Region auch schon andere Hangabgänge, bei denen Straßen und Gebäude in Mitleidenschaft gezogen wurden.“So wie dort müsse man auch in Primisweiler gemeinsam nach kreativen Lösungen suchen, so Haser. Weiter regte er an, darüber nachzudenken, was mit der „im Moment recht wild aussehenden Rutschfläche“geschehen soll. Er könne sich vorstellen, eine ökologische Ausgleichsfläche zu schaffen und damit Ökopunkte zu generieren.
Haser versprach, sich in Stuttgart beim für Katastrophenschutz verantwortlichen Innenministerium für den Fall einzusetzen. Dass dieses Anliegen schwierig, jedoch sicher nicht gänzlich unmöglich wird, zeigt eine Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“beim Ministerium. Auf die von Haser angeregten „kreativen Lösungen“angesprochen, verweist das Ministerium darauf, dass die Landeshilfen nach schweren Naturereignissen und Unglücksfällen erst ab einer Gesamtschadenshöhe von 100 Millionen Euro greifen. Beim aktuellen Hangrutsch in Wangen komme die Landeshilfe nach schweren Naturereignissen und Unglücksfällen deshalb „wohl leider nicht in Frage, auch wenn der Fall für die Betroffenen natürlich sehr belastend ist“, erklärte ein Ministeriumssprecher. Und weiter: „Hilfe für die Grundstücksbesitzer könnte allenfalls in verschiedenen anderen Fachförderprogrammen des Landes außerhalb der Unwetterhilfen des Innenministeriums liegen.“
Allerdings verweist das Ministerium in der selben Mitteilung darauf, dass es nach den Unwetterereignissen vom 28. Mai bis 8. Juni 2016 die Soforthilfe überarbeitet und das Verfahren „einfacher, schneller und pragmatischer“gestaltet habe. Die Behörden vor Ort hätten „mehr Flexibilität bei der Bewilligung der Soforthilfen bekommen, um in Härtefällen sowohl von einzelnen Voraussetzungen als auch von den Höchstgrenzen bei den Auszahlungsbeträgen abweichen zu können.“
Zudem sei gemeinsam mit den Kommunen ein Katastrophenfonds mit einem Volumen von insgesamt bis zu 30 Millionen Euro ins Leben gerufen worden. Von diesen Mitteln stünden bis zu 25 Millionen Euro für die Behebung kommunaler Schäden und bis zu fünf Millionen Euro für Soforthilfemaßnahmen zur Verfügung, heißt es in der Mitteilung weiter. Der Fonds sei – über bereits bestehende Förderprogramme hinaus – eine zusätzliche Unterstützungsmöglichkeit für Kommunen. Die Nachfrage nach einer Konkretisierung des Fonds und welche Stelle wann auf diesen zugreifen könne, blieb vonseiten des Innenministeriums bislang unbeantwortet.
Derweil bleibt das Thema natürlich auch direkt vor Ort nicht unbeachtet. In der jüngsten Sitzung des Wangener Gemeinderats brachte CDU-Rat Karl Laible einen dreigeteilten Antrag ein, in dem er fordert, dass sich der Rat solidarisch mit dem Anliegen erklärt, „übergeordnete Amtsstellen wie das Regierungspräsidium, die Landesregierung und die deutsche Katastrophenhilfe zu verpflichten, sich um die Folgeschäden des Hangrutsches zu kümmern und die Schäden auf ihre Kosten beseitigen zu lassen“.
Weiter regt er an, dass der Gemeinderat die Landesgartenschau GmbH beauftragt, „sofort ein Konzept zur Einbindung der Beseitigung der Folgeschäden [...] zu entwickeln und die notwendigen Fördermittel zu beantragen“. Im dritten Teil des Antrags fordert Laible, dass „der Gemeinderat Wangen sämtliche Bemühungen der Verwaltung und sonstiger Stellen unterstützt, der betroffenen Familie jegliche finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen.“Die Verwaltung erklärte, den Antrag zur nächsten Sitzung zu bearbeiten und ihn den Räten in dieser dann zur Beratung vorzulegen.