Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Stadtförster Martin: „Wir werden gefühlt nie fertig“
Besonders junge Laubgehölze im Leutkircher Stadtwald haben unter den heftigen Schneefällen im Januar gelitten
LEUTKIRCH - Der kurze, aber heftige Wintereinbruch im Januar hat dem Leutkircher Stadtwald ziemliche Schäden beschert. Insbesondere habe es heuer den Bestand an jungen Laubgehölzen getroffen, berichtet Stadtförster Karl-Josef Martin: „Die starken Schneefälle Anfang 2021 mit Schneehöhen bis zu über 80 Zentimeter sind anfangs als starker Nassschnee gefallen, der bei anschließendem Frost als feste Kappe auf den Bäumen verblieb. Laubbäume, welche als Frostschutz in der Jugend ihre Blätter nicht abwerfen, wie zum Beispiel die Eiche, hatten dadurch sehr hohe Schneeauflagen.“
Im Gegensatz zum Schneebruch des Jahres 2019 sei es vor allem in Laubholzbeständen zu Bruchschäden gekommen, an Eiche, Buche, Birke und Erle. „Im Stadtwald Leutkirch haben wir einen Anteil an Laubholzbeständen von rund 25 Prozent, was einer Fläche von etwa 190 Hektar entspricht. Durch Schäden betroffen waren vor allem jüngere Bestände im Alter von etwa zehn bis 40 Jahren. Die Schäden in diesen Altersklassen entsprechen einer tatsächlichen Schadfläche von rund 25 Hektar“, umreißt Martin die Situation.
Aber welche Bedeutung haben die Laubgehölze für den Leutkircher Stadtwald? Ganz klar gehe es um die Herstellung eines Mischwaldes: „Mit der Verjüngung und dem Anbau von Laubholz wollen wir zum einen auf standörtliche Gegebenheiten eingehen, aber vielen anderen, auch klimatischen Entwicklungen begegnen und somit hierdurch unsere Wälder stabiler gestalten“, sagt Martin. Vor allem mit Eichen könnten „sehr stabile Waldbestände erzogen werden“.
Die Schäden seien daher letztlich gravierender, als die Schadfläche vermuten lasse: „Wir sind mit unseren Bemühungen auf Einzelflächen wieder bis zu 25 Jahre zurückgeworfen worden“, erklärt der Stadtförster.
Auf die Frage, ob die Bruchschäden für die Borkenkäfer jetzt wieder und im wahrsten Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen darstellten, antwortet Martin wie folgt: „Es kam zwar auf allen Flächen auch zu Gipfelbrüchen von Fichten, die gerne vom Borkenkäfer befallen werden. Das geschah jedoch in einem so überschaubaren Ausmaß, dass der größte Teil des Bruchholzes aufgearbeitet sein wird, bevor es zu Problemen mit dem unliebsamen Zeitgenossen kommt.“
Bei den gebrochenen Laubbäumen bestehe durch Insektenbefall keine Gefahr der Massenvermehrung, und auch Pilzbefall spiele keine Rolle: „Im Gegenteil: Pilze zersetzen das angefallene organische Material und bringen dieses so wieder in den Nährstoffkreislauf ein“, erklärt Martin. Und das wirke sich auf die Pflanzenwelt insgesamt aus: „Die Fauna wird profitieren, da auf geöffneten Flächen mehr Licht und Wärme auf den Boden kommt, was mit einem verbesserten Nahrungsangebot für Tiere mit einhergeht.“
Pflanzen mit höheren Ansprüchen an Licht und Wärme würden mit Sicherheit von der aktuellen Situation profitieren, was allerdings auf einigen Flächen eine „Wiederbestockung“erschweren werde, und in diesen Bereichen sieht Martin die größten Probleme: „Schäden müssen vor allem entlang von Wegen und Straßen, an Waldrändern und Siedlungen beseitigt werden. Auf den großen Flächen im Wald wird es längere Zeit dauern, bis wir im Zuge von Pflegemaßnahmen an alle Flächen kommen.“
Viele Laubbäume könnten in der Fläche nicht mehr ersetzt werden. „Das heißt, dass der Nadelholzanteil prozentual wieder zunimmt und wir mit möglichen Schwierigkeiten wie einer wieder zunehmenden Labilität, Anfälligkeit durch Hitzestress, Wassermangel oder Insektenbefall rechnen müssen,“befürchtet Martin.
Zumal seine Analyse der Allgemeinsituation pessimistisch ausfällt: „2018 hatten wir große Sturmschäden mit anschließendem Borkenkäferbefall, 2019 heftige Schneebruchschäden, überwiegend in jüngeren Nadelholzbeständen, 2020 Sturmschäden durch Tief Sabine, jetzt kamen die Schneebruchschäden vom Januar dazu. Wenn wir mit den jeweiligen Aufräumarbeiten fertig sind und der Wald somit wieder ein ansprechendes Bild abgibt, folgt sogleich die nächste Katastrophe. Wir müssen immer wieder von vorne anfangen und werden gefühlt nie fertig.“