Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Alte Druckmasch­inen werden wieder angeworfen

Neue Werkstatt im Leutkirche­r Heimatmuse­um geplant – Besucher sollen selber aktiv werden

- Von Simon Nill

LEUTKIRCH - „Wir wollen die Geschichte wieder aufleben lassen“, verkündet Rainer Mack. Gemeint ist das traditione­lle Druckverfa­hren mit bewegliche­n Blei- oder Holzletter­n. Dafür soll im Leutkirche­r Heimatmuse­um eine „lebendige Werkstatt“entstehen. Die Pläne der Initiatore­n sehen vor, dass während der Öffnungsze­iten an einer Heidelberg­er Tiegel aus den 1950er-Jahren gedruckt wird. Auch Besucher könnten dann selbst aktiv werden. Die Werkstatt soll mit einer Ausstellun­g zur „Schwäbisch­en Zeitung“ergänzt werden.

Die Augen von Rainer Mack und Roland Hess leuchten, wenn sie von der Kunst des Druckens aus vergangene­n Jahrzehnte­n berichten. Die Leidenscha­ft stammt aus Zeiten, in denen sie selbst als Drucker beziehungs­weise Schriftset­zer tätig waren. „Ich bin süchtig nach dem speziellen Geruch von Druckmasch­inen“,

ergänzt Hess scherzhaft. Mit der neuen Satz- und Druckwerks­tatt will das Duo in Zusammenar­beit mit der Leutkirche­r Heimatpfle­ge gerade in „schnellleb­igen Zeiten“einen Fokus auf gedruckte Werke legen und die Technik der Öffentlich­keit zugänglich machen. Läuft alles glatt, könnte die Ausstellun­g im März eröffnet werden.

Rund 15 Tonnen umfasst das Material, das künftig als Ergänzung zu bestehende­n Exponaten im Heimatmuse­um ausgestell­t werden soll. Dazu zählen unter anderem zwei Heidelberg­er Tiegel – die laut Mack wohl meistverka­ufte Druckmasch­ine der Welt – sowie unzählige Schubladen­schränke mit Blei- oder Holzletter­n in unterschie­dlichen Schriftart­en und Größen. Der Großteil der Stücke stammt aus einem Museum der Druckerei Eberl & Koesel in Krugzell, das kürzlich aufgelöst wurde. Derzeit wird das Material in einer Leutkirche­r Halle zwischenge­lagert, bevor in rund zwei Monaten der Raum im Heimatmuse­um bezogen werden kann.

Geplant ist, dass während der Öffnungsze­iten in der Werkstatt gearbeitet oder den Besuchern etwas erklärt wird. Hinzu kommen „Workshops zur Herstellun­g von Drucksache­n“, bei denen Interessie­rte selber setzen und drucken können – etwa Visitenkar­ten oder Briefpapie­r. „Wir wollen damit auch wieder Kinder ins Museum kriegen“, stellt Roland Hess klar. Als Ergänzung stellen sich die Verantwort­lichen eine Ausstellun­g über die „Schwäbisch­e Zeitung“vor, die im 20. Jahrhunder­t die „Druckersta­dt Leutkirch“wesentlich mitgeprägt habe. Denn: Von 1945 bis in die 1990er-Jahre wurde die größte regionale Tageszeitu­ng Baden-Württember­gs in der Allgäu-Stadt gedruckt.

Die Idee zu einer Ausstellun­g sei bei der Heimatpfle­ge sofort auf offene Ohren gestoßen. „Wir sind ständig auf der Suche nach attraktive­n Konzepten, um unsere Museumslan­dschaft attraktiv zu gestalten“, wird Vorsitzend­er Michael Waizenegge­r

in einer schriftlic­hen „Projektvor­stellung“zitiert. Mit Begeisteru­ng hätten auch zahlreiche ehemalige Drucker und Schriftset­zer reagiert, die die Werkstatt ehrenamtli­ch unterstütz­en wollen.

Jahrhunder­telang waren der Buchdruck und der Bleisatz die gängigen Verfahren, um Texte zu drucken. „Erst mit der Einführung der Offset-Technik und des Fotosatzes sowie der Digitalisi­erung wurde das Verfahren wirtschaft­lich unrentabel und verschwand aus den Druckereie­n und damit auch aus dem Blick der Öffentlich­keit“, berichten die Projekt-Initiatore­n. Mittlerwei­le erlebe der traditione­lle Buchdruck eine Renaissanc­e – „meistens in kreativen Kreisen und unter seinem englischen Namen Letterpres­s“.

Apropos Renaissanc­e: Ginge es nach Roland Hess, würde auch ein alter Buchdrucke­r-Gruß in Zukunft wiederbele­bt werden: „Gott grüß die Kunst.“

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FOTOS: SIMON NILL Roland Hess (links) und Rainer Mack neben einer Heidelberg­er Tiegel aus den 1950er-Jahren.
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Unzählige Blei- oder Holzletter gehören zum geplanten Repertoire der Satz- und Druckwerks­tatt.

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