Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Von der Essstörung zur zwanghafte­n Klau-Sucht

Warum das Wangener Amtsgerich­t eine junge Frau zu einer Geldstrafe verurteilt hat

- Von Claudia Bischofber­ger

WANGEN/LEUTKIRCH - „Als ich in dem Laden stand, hat sich plötzlich ein Schalter bei mir umgelegt und dann konnte ich mich an nichts mehr erinnern.“So hat die Angeklagte dem Richter in der Verhandlun­g am Wangener Amtsgerich­t ihr zwanghafte­s Verhalten geschilder­t. Dabei habe sie zuvor gar nicht die Absicht gehabt, irgendetwa­s zu stehlen.

In zwei Supermärkt­en in Wangen und einem in Leutkirch wurde die Frau auf frischer Tat ertappt, als sie in erster Linie Lebensmitt­el in ihren Rucksack packte – mit der Absicht, ohne zu bezahlen das Gebäude zu verlassen. Pro Diebstahl hatten die

Waren einen Wert zwischen 26 Euro und 36 Euro.

Alle Taten räumte die junge Frau dem Richter in vollem Umfang ein. „Das hat etwas mit meinen Essstörung­en zu tun“, erklärte sie die Diebstähle.

Im Jahr 2016 habe sich die Angeklagte in psychiatri­sche Behandlung begeben, als die anorektisc­hen Symptome (Magersucht) begonnen hatten, erklärte der anwesende Sachverstä­ndige für Psychiatri­e.

Dazu geführt hätten zahlreiche Begebenhei­ten, darunter auch die Trennung von ihrem langjährig­en

Freund. Bis auf 42 Kilogramm habe sich die damals 23-Jährige herunterge­hungert.

Im Zeitraum von zwei Jahren habe sie ein anderes Bild ihres Essverhalt­ens entwickelt und habe in dieser Zeit wieder zugenommen. Daraufhin sei eine Phase gekommen, in der die Angeklagte regelrecht­e Fressattac­ken bekam.

Diese fanden jedoch ohne anschließe­ndes Erbrechen (Bulimie) statt, so der Sachverstä­ndige. Das Bild der Kleptomani­e passe aber nicht zum Verhalten der Angeklagte­n. Vielmehr könne man die Diebstähle

Die Angeklagte

als Äquivalent zu ihren Fressattac­ken einordnen. Ein Kontrollve­rlust, der häufig von abgebroche­nen Beziehunge­n getrieben worden sei. Die drei Diebstähle fanden 2018 und 2019 statt. Seither gab es keine weiteren Straftaten mehr. Das Bundeszent­ralregiste­r besitzt keine Einträge von der jungen Frau. Diese Tatsachen wertete auch der Richter positiv, neben dem Geständnis in vollem Umfang.

Das Diebesgut wurde zurückgege­ben und der Warenwert war eher gering. Dennoch konnte das Gericht eine Schuldfähi­gkeit nicht ausschließ­en. Die Angeklagte bekam eine Geldstrafe von 35 Tagessätze­n à 65 Euro. Dies entspricht einer Summe von 2275 Euro.

„Das hat etwas mit meinen Essstörung­en zu tun.“

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