Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Von der Essstörung zur zwanghaften Klau-Sucht
Warum das Wangener Amtsgericht eine junge Frau zu einer Geldstrafe verurteilt hat
WANGEN/LEUTKIRCH - „Als ich in dem Laden stand, hat sich plötzlich ein Schalter bei mir umgelegt und dann konnte ich mich an nichts mehr erinnern.“So hat die Angeklagte dem Richter in der Verhandlung am Wangener Amtsgericht ihr zwanghaftes Verhalten geschildert. Dabei habe sie zuvor gar nicht die Absicht gehabt, irgendetwas zu stehlen.
In zwei Supermärkten in Wangen und einem in Leutkirch wurde die Frau auf frischer Tat ertappt, als sie in erster Linie Lebensmittel in ihren Rucksack packte – mit der Absicht, ohne zu bezahlen das Gebäude zu verlassen. Pro Diebstahl hatten die
Waren einen Wert zwischen 26 Euro und 36 Euro.
Alle Taten räumte die junge Frau dem Richter in vollem Umfang ein. „Das hat etwas mit meinen Essstörungen zu tun“, erklärte sie die Diebstähle.
Im Jahr 2016 habe sich die Angeklagte in psychiatrische Behandlung begeben, als die anorektischen Symptome (Magersucht) begonnen hatten, erklärte der anwesende Sachverständige für Psychiatrie.
Dazu geführt hätten zahlreiche Begebenheiten, darunter auch die Trennung von ihrem langjährigen
Freund. Bis auf 42 Kilogramm habe sich die damals 23-Jährige heruntergehungert.
Im Zeitraum von zwei Jahren habe sie ein anderes Bild ihres Essverhaltens entwickelt und habe in dieser Zeit wieder zugenommen. Daraufhin sei eine Phase gekommen, in der die Angeklagte regelrechte Fressattacken bekam.
Diese fanden jedoch ohne anschließendes Erbrechen (Bulimie) statt, so der Sachverständige. Das Bild der Kleptomanie passe aber nicht zum Verhalten der Angeklagten. Vielmehr könne man die Diebstähle
Die Angeklagte
als Äquivalent zu ihren Fressattacken einordnen. Ein Kontrollverlust, der häufig von abgebrochenen Beziehungen getrieben worden sei. Die drei Diebstähle fanden 2018 und 2019 statt. Seither gab es keine weiteren Straftaten mehr. Das Bundeszentralregister besitzt keine Einträge von der jungen Frau. Diese Tatsachen wertete auch der Richter positiv, neben dem Geständnis in vollem Umfang.
Das Diebesgut wurde zurückgegeben und der Warenwert war eher gering. Dennoch konnte das Gericht eine Schuldfähigkeit nicht ausschließen. Die Angeklagte bekam eine Geldstrafe von 35 Tagessätzen à 65 Euro. Dies entspricht einer Summe von 2275 Euro.
„Das hat etwas mit meinen Essstörungen zu tun.“