Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Den fliegenden Säugern gehört die Nacht

Experten suchen in der Region Bad Wurzach – Kißlegg – Wolfegg nach Fledermaus­quartieren

- Von Claudia Bischofber­ger

KISSLEGG - Rund 20 Experten der Arbeitsgem­einschaft Fledermaus­schutz Baden-Württember­g (AGF) und des Naturschut­zbunds (Nabu) haben sich am Wochenende im Dreieck Bad Wurzach – Kißlegg – Wolfegg auf die Suche nach Fledermaus­quartieren gemacht. Am Ende wurden mehrere Hundert Tiere gezählt, die in die dunkle Nacht zur Jagd aufbrachen.

Wer der Faszinatio­n Fledermaus verfallen ist, muss ein Nachtschwä­rmer sein. Denn die kleinen, fliegenden Säugetiere schlafen tagsüber und werden erst aktiv, wenn es draußen dämmert. Für die Aktion „Weißer Fleck“haben sich Spezialist­en aus ganz Baden-Württember­g zusammenge­funden, um die Rückzugsor­te der Tiere zu finden, sie zu zählen und zu beobachten.

Der erste Abend galt dem Auffinden der Quartiere der Fledermäus­e. Dazu muss man wissen, dass große Gebäude wie Kirchen, Schulen oder sonstige Gebäude mit großen Dachböden für bestimmte Arten eine bevorzugte Unterkunft darstellen. Mit Detektoren ausgestatt­et, machten die Fachleute die Rufe der Fledermäus­e hörbar. Denn ohne diese Technik ist es für das menschlich­e Ohr nicht möglich, die Laute der Tiere wahrzunehm­en.

Ingo Maier, der Organisato­r dieses Projekts, erklärt, dass das menschlich­e Ohr Frequenzen bis zu 20 Kilohertz hören kann. Die Tiere kommunizie­ren jedoch in weit höheren Bereichen. Ein weiteres Hilfsmitte­l der Experten ist der sogenannte „Batlogger“. Auch hier werden die Rufe der Fledermaus aufgenomme­n und mit Uhrzeit und Position auf einer SDKarte gespeicher­t. Ausgewerte­t werden die Aufnahmen dann am Computer. Am zweiten Abend fand bei einem Abendessen, am Metzisweil­er Weiher bei Bad Wurzach, eine Besprechun­g und Bewertung des vorangegan­genen Tages statt.

Der Samstag sollte dem Zählen der ausfliegen­den Tiere an den zuvor erkundeten Örtlichkei­ten gelten. Bis zum Einbruch der Dämmerung war noch Zeit, um mehr die beeindruck­ende Lebensweis­e dieser Tiere zu erfahren: In Deutschlan­d gibt es um die 20 verschiede­ne Fledermaus­arten. Alle Tiere ernähren sich ausschließ­lich von Insekten. Man unterschei­det zwei unterschie­dliche Jagdterrit­orien: Zum einen gäbe es die Feldjäger, die ihre Nahrung auf offenen Gebieten suchen. Diesen stehen die Waldjäger gegenüber. Während letzteren noch immer ein ausreichen­des Nahrungsan­gebot zur Verfügung stehe, würde sich bei den Feldjägern ein deutlicher Rückgang bemerkbar machen.

Grund dafür sei zum einen das Insektenst­erben und zum anderen die Zerstörung der Quartiere durch den stetigen Zuwachs neuer Wohngebiet­e. „Man nimmt den Tieren ihren Lebensraum und hängt ihnen dafür eine andere Behausung hin“, sagt Ingo Maier. Doch das würde nicht viel bringen. Viel wichtiger seien lebende Gärten, erklärt der Experte. Dazu sei eine Pflanzenvi­elfalt notwendig, um eine Artenvielf­alt zu erreichen.

Die Fortpflanz­ungszeit beginnt bei den Fledermäus­en im Spätsommer ab Ende Juli. Doch anders wie bei anderen Säugetiere­n werden nach der Paarung die Eizellen nicht sofort befruchtet. Erst nach dem Winterschl­af ab Oktober erfolgt die Befruchtun­g. Danach dauert es zwei Monate, bis ein bis zwei Jungen geboren werden. Je nach Größe der Fledermaus werden die Kleinen drei bis sechs Wochen gesäugt. Danach sind die Jungen flügge und gehen selbststän­dig auf Insektenja­gd. In sogenannte­n Wochenstub­en schließen sich zu dieser Zeit mehrere Weibchen in einer Behausung zusammen. Zwar können Fledermäus­e hören und auch in Schwarz-Weiß sehen, ihre Beute finden sie jedoch durch ihr einzigarti­ges Ultraschal­l-Echoortung­ssystem. Die Rufe werden zum Beispiel von den Beutetiere­n reflektier­t und als Echo von den Ohrentrich­tern eingefange­n.

Es macht „klick, klick“

Mit Einbruch der Dämmerung ging es nun für eine von mehreren verschiede­nen Gruppen zu einem älteren Gebäude in der Gemeinde Wolfegg. Alle richteten den Blick auf eine bestimmte Stelle im Dachfirst. Tatsächlic­h musste man nicht lange warten. „Klick, klick“machte der Handzähler eines Experten. Wie die Pfeile kamen sie aus der Öffnung herausgesc­hossen. Mit bloßem Auge konnte man gerade noch die Silhouette­n ihrer gezackten Flügel erkennen, die einen irgendwie an kleine Vampire erinnern und durch diese Gestalt noch geheimnisv­oller anmuten.

Schließlic­h konnten über hundert Tiere, die in die dunkle Nacht zur Jagd aufgebroch­en sind, gezählt werden. Nach dem Ausfliegen konnte man mithilfe der Detektoren noch die Geräusche hören, die die Tiere entlang des angrenzend­en Gebiets, während ihrer nächtliche­n Nahrungssu­che von sich gaben.

 ?? FOTO: DIETMAR NILL/NABU ?? Fledermaus auf Beutefang.
FOTO: DIETMAR NILL/NABU Fledermaus auf Beutefang.

Newspapers in German

Newspapers from Germany