Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Den fliegenden Säugern gehört die Nacht
Experten suchen in der Region Bad Wurzach – Kißlegg – Wolfegg nach Fledermausquartieren
KISSLEGG - Rund 20 Experten der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg (AGF) und des Naturschutzbunds (Nabu) haben sich am Wochenende im Dreieck Bad Wurzach – Kißlegg – Wolfegg auf die Suche nach Fledermausquartieren gemacht. Am Ende wurden mehrere Hundert Tiere gezählt, die in die dunkle Nacht zur Jagd aufbrachen.
Wer der Faszination Fledermaus verfallen ist, muss ein Nachtschwärmer sein. Denn die kleinen, fliegenden Säugetiere schlafen tagsüber und werden erst aktiv, wenn es draußen dämmert. Für die Aktion „Weißer Fleck“haben sich Spezialisten aus ganz Baden-Württemberg zusammengefunden, um die Rückzugsorte der Tiere zu finden, sie zu zählen und zu beobachten.
Der erste Abend galt dem Auffinden der Quartiere der Fledermäuse. Dazu muss man wissen, dass große Gebäude wie Kirchen, Schulen oder sonstige Gebäude mit großen Dachböden für bestimmte Arten eine bevorzugte Unterkunft darstellen. Mit Detektoren ausgestattet, machten die Fachleute die Rufe der Fledermäuse hörbar. Denn ohne diese Technik ist es für das menschliche Ohr nicht möglich, die Laute der Tiere wahrzunehmen.
Ingo Maier, der Organisator dieses Projekts, erklärt, dass das menschliche Ohr Frequenzen bis zu 20 Kilohertz hören kann. Die Tiere kommunizieren jedoch in weit höheren Bereichen. Ein weiteres Hilfsmittel der Experten ist der sogenannte „Batlogger“. Auch hier werden die Rufe der Fledermaus aufgenommen und mit Uhrzeit und Position auf einer SDKarte gespeichert. Ausgewertet werden die Aufnahmen dann am Computer. Am zweiten Abend fand bei einem Abendessen, am Metzisweiler Weiher bei Bad Wurzach, eine Besprechung und Bewertung des vorangegangenen Tages statt.
Der Samstag sollte dem Zählen der ausfliegenden Tiere an den zuvor erkundeten Örtlichkeiten gelten. Bis zum Einbruch der Dämmerung war noch Zeit, um mehr die beeindruckende Lebensweise dieser Tiere zu erfahren: In Deutschland gibt es um die 20 verschiedene Fledermausarten. Alle Tiere ernähren sich ausschließlich von Insekten. Man unterscheidet zwei unterschiedliche Jagdterritorien: Zum einen gäbe es die Feldjäger, die ihre Nahrung auf offenen Gebieten suchen. Diesen stehen die Waldjäger gegenüber. Während letzteren noch immer ein ausreichendes Nahrungsangebot zur Verfügung stehe, würde sich bei den Feldjägern ein deutlicher Rückgang bemerkbar machen.
Grund dafür sei zum einen das Insektensterben und zum anderen die Zerstörung der Quartiere durch den stetigen Zuwachs neuer Wohngebiete. „Man nimmt den Tieren ihren Lebensraum und hängt ihnen dafür eine andere Behausung hin“, sagt Ingo Maier. Doch das würde nicht viel bringen. Viel wichtiger seien lebende Gärten, erklärt der Experte. Dazu sei eine Pflanzenvielfalt notwendig, um eine Artenvielfalt zu erreichen.
Die Fortpflanzungszeit beginnt bei den Fledermäusen im Spätsommer ab Ende Juli. Doch anders wie bei anderen Säugetieren werden nach der Paarung die Eizellen nicht sofort befruchtet. Erst nach dem Winterschlaf ab Oktober erfolgt die Befruchtung. Danach dauert es zwei Monate, bis ein bis zwei Jungen geboren werden. Je nach Größe der Fledermaus werden die Kleinen drei bis sechs Wochen gesäugt. Danach sind die Jungen flügge und gehen selbstständig auf Insektenjagd. In sogenannten Wochenstuben schließen sich zu dieser Zeit mehrere Weibchen in einer Behausung zusammen. Zwar können Fledermäuse hören und auch in Schwarz-Weiß sehen, ihre Beute finden sie jedoch durch ihr einzigartiges Ultraschall-Echoortungssystem. Die Rufe werden zum Beispiel von den Beutetieren reflektiert und als Echo von den Ohrentrichtern eingefangen.
Es macht „klick, klick“
Mit Einbruch der Dämmerung ging es nun für eine von mehreren verschiedenen Gruppen zu einem älteren Gebäude in der Gemeinde Wolfegg. Alle richteten den Blick auf eine bestimmte Stelle im Dachfirst. Tatsächlich musste man nicht lange warten. „Klick, klick“machte der Handzähler eines Experten. Wie die Pfeile kamen sie aus der Öffnung herausgeschossen. Mit bloßem Auge konnte man gerade noch die Silhouetten ihrer gezackten Flügel erkennen, die einen irgendwie an kleine Vampire erinnern und durch diese Gestalt noch geheimnisvoller anmuten.
Schließlich konnten über hundert Tiere, die in die dunkle Nacht zur Jagd aufgebrochen sind, gezählt werden. Nach dem Ausfliegen konnte man mithilfe der Detektoren noch die Geräusche hören, die die Tiere entlang des angrenzenden Gebiets, während ihrer nächtlichen Nahrungssuche von sich gaben.