Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Erbschaft gleicht einem Hindernislauf
Selbst bei klarer Rechtslage warten bürokratische Hürden – zuletzt kassiert der Fiskus mit
Stirbt ein Mensch, hinterlässt er in der Regel auch ein mehr oder minder großes Erbe. Diese Besitztümer gehen an den Rechtsnachfolger der oder des Verstorbenen über. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob der Erbe bekannt ist oder von seinen Ansprüchen auch etwas weiß. Auch ein Testament muss es nicht geben.
Die Erbfolge orientiert sich am Verwandtschaftsverhältnis. An erster Stelle stehen Ehepartner und Kinder, gefolgt von den Enkeln und gegebenenfalls noch deren Nachkommen. Lebten er oder sie alleine, wären als nächstes die Eltern des Verstorbenen, seine Geschwister und die Nichten und Neffen an der Reihe, dann die Urgroßeltern. Freunde oder nicht verheiratete Lebenspartner haben zunächst einmal kein Anrecht.
Neben dieser gesetzlichen Erbfolge besteht die Möglichkeit, die Verteilung des Nachlasses durch ein Testament zu regeln. „Wer ein Testament des Verstorbenen in den Händen hält, muss es unverzüglich beim Nachlassgericht abgeben, sobald er vom Tod des Erblassers erfahren hat“, erläutern die Experten der Stiftung Warentest. Dieses Gericht am Wohnort führt dann auch das entsprechende Verfahren durch. Es informiert die Erben oder beauftragt einen Nachlasspfleger, wenn sich kein Erbe finden lässt.
Nachlass genau ermitteln
Auf den oder die Erben kommt noch eine Menge Arbeit zu. Ein beim Gericht beantragter Erbschein weist sie zum Beispiel gegenüber Banken und Versicherungen als rechtmäßigen Nachfolger des Verstorbenen aus. Die Gebühr dafür richtet sich nach der Höhe des vermachten Vermögens. Dabei können Kosten von mehreren Hundert Euro entstehen.
Der nächste Schritt ist die Bestandsaufnahme des Nachlasses. Guthaben, Versicherungsverträge, laufende Verpflichtungen oder Immobilienund Wertpapiervermögen sollten genau ermittelt werden, um böse Überraschungen durch unerwartete finanzielle Forderungen zu vermeiden.
Zur Erbmasse gehören nicht nur Haus, Hof und Auto. Auch die Schattenseiten des Daseins überleben zunächst einmal den Tod – Schulden. Verbindlichkeiten gehen ebenso auf den Erben über wie Vermögen. Doch dafür muss niemand geradestehen. Innerhalb von sechs Wochen muss sich ein Erbe entscheiden, ob er die Rechtsnachfolge annimmt. Lebte der Verstorbene im Ausland oder wohnt der Erbe in einem anderen Land, verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Die Zeit läuft ab dem Moment, ab dem der Begünstigte von seinem Erbe weiß.
3,1 Billionen Euro
Komplizierter und konfliktträchtig kann es werden, wenn sich mehrere Erben den Nachlass teilen sollen. Entscheidungen, etwa hinsichtlich einer vermieteten Immobilie, müssen sie gemeinsam treffen. Sind die Interessen unterschiedlich, droht Streit.
Am Ende kommt auch noch das Finanzamt ins Spiel. Die Deutschen haben in den wohlhabenden Jahrzehnten ein beträchtliches Vermögen angespart. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Altersvorsorge werden in den kommenden fünf Jahren aufsummiert 3,1 Billionen Euro an die nächste Generation übergehen. Und der Fiskus kassiert mitunter kräftig mit.
Hohe Freibeträge gelten nur für nahe Angehörige. Ehegatten können bis zu 500 000 Euro steuerfrei erben, die Kinder der Verstorbenen bis zu 400 000 Euro. Geschwister, Nichten oder Neffen werden ebenso wie Freunde schon ab 20 000 Euro vom Fiskus zur Kasse gebeten. Dazu gibt es einen Freibetrag für Hausrat oder beispielsweise ein Auto in Höhe von 12 000 Euro.
Wie ist es nun bei Paaren ohne Trauschein? Der oder die Hinterbliebene fällt in die letztgenannte Kategorie, fällt also schnell in die Steuerpflicht. Dagegen hilft nach Einschätzung Anja Hardenbergs von der Stiftung Warentest nur eines: „Für unverheiratete Paare, die sich gegenseitig absichern wollen, ist der einfachste Weg die Hochzeit.“Nur so würden Paare von den hohen Freibeträgen und der günstigen Steuerklasse profitieren. Das gilt auch für homosexuelle Paare. Erst die eingetragene Lebensgemeinschaft sichert dem hinterbliebenen Teil eines Paares die Gleichbehandlung als Ehegatte.
Vermächtnis als Lösung
Ungleich verteilt sind nicht nur die Freibeträge, sondern auch die Steuersätze. Es gibt drei Klassen. Ehepartner oder Kinder werden in die Steuerklasse I eingestuft. Dort ist der niedrigste Steuersatz sieben Prozent bei Beträgen von bis zu 75 000 Euro oberhalb der Freigrenze. Der Satz wächst auf 30 Prozent bei Vermögen von mehr als 26 Millionen Euro an. Bei unehelichen Partnern oder Freunden schlägt das Finanzamt schon in der ersten Stufe mit 30 Prozent zu. Von hohen Vermögen beansprucht der Fiskus sogar die Hälfte des Werts der Erbschaft.
Anders sieht es aus, wenn jemand sein Vermögen in die Hände etwa des Tierschutzvereins oder einer sozialen Einrichtung geben will. „Ist eine Organisation vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt, muss sie auf Erbschaften und Vermächtnisse keine Erbschaftsteuer bezahlen“, sagt Erbexpertin Eugénie Zobel von der Stiftung Warentest.
Soll die Organisation nur einen Teil des Erbes erhalten, etwa einen festen Betrag, rät Zobel zu einem Vermächtnis. Der Unterschied zum Erbe besteht darin, dass die Organisation nicht die Rechtsnachfolge des Erblassers antritt, sondern lediglich den ihr vermachten Teil übertragen bekommt. „Wichtig ist dabei, im Testament klar zwischen Vererben und Vermachen zu unterscheiden“, sagt Zobel.