Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Gensheimers Gier nach dem großen Wurf
Er gilt als bester Linksaußen der Welt, wartet international aber auf einen großen Titel
HAMBURG (SID) - An den WM-Triumph von 2007 erinnert sich Uwe Gensheimer noch ganz genau. Direkt hinterm Tor saß der Linksaußen, damals noch ein 20 Jahre altes Toptalent, feuerte seine Idole zusammen mit den Kollegen vom Junioren-Nationalteam lautstark an und bejubelte das Wintermärchen aus nächster Nähe. Jetzt, zwölf Jahre später, will Gensheimer, inzwischen längst Kapitän der deutschen Handballer, selbst Geschichte schreiben.
„Das Finale war der Wahnsinn. Wobei ich neben der Gänsehaut auch gemischte Gefühle hatte. Ich hätte viel lieber auf dem Feld gestanden“, erinnert sich Gensheimer in der „Handball Inside“: „Der große Erfolg des Teams war damals auf jeden Fall ein guter Ansporn.“
Gensheimer brennt auf die anstehende Heim-WM (10. bis 27. Januar) wie kaum ein anderer Spieler im Team von Bundestrainer Christian Prokop. Vor eigenem Publikum will es der Starspieler von Paris St. Germain allen beweisen. Seit Jahren gilt Gensheimer als bester Linksaußen der Welt, holte als Torjäger vom Dienst Meisterschaften und Pokale – auf einen großen internationalen Titel wartet der Mann mit dem genialen Handgelenk aber noch immer.
„Die Nationalmannschaft hat einen sehr großen Stellenwert in meinem Leben“, sagt Gensheimer: „Das Team für sein Land auf das Feld führen zu dürfen, ist etwas ganz Großes.“Nun hofft er, dass „wir ganz Deutschland wieder elektrisieren können“. Mit der Anreise zum Lehrgang in Hamburg bogen Gensheimer und Co. am Mittwoch auf die Zielgerade ihrer WM-Vorbereitung ein.
„Ich freue mich hauptsächlich auf die Atmosphäre“, sagte Gensheimer bei RTL. Er habe die Bilder von 2007 noch im Kopf. Die WM sei „etwas Einmaliges für uns alle“, eine „Riesenchance für uns und unsere Sportart“. Das bevorstehende Turnier ist vor allem eine riesige Chance für Gensheimer. Denn Gensheimers Geschichte mit der Nationalmannschaft ist seit jeher eine besondere. Seit seinem Debüt im Jahr 2005 ist der gebürtige Mannheimer immer mehr in die Rolle einer prägenden Figur im Team des Deutschen Handballbundes (DHB) gewachsen. Doch der ganz große Erfolg im Trikot mit dem Adler auf der Brust fehlt dem trickreichen Torjäger bis heute.
Das EM-Finale 2016, den großen Triumph unter dem damaligen Coach Dagur Sigurdsson, musste Gensheimer verletzt von der Tribüne aus verfolgen. Zur WM 2017 reiste er wegen des plötzlichen Todes seines Vaters erst verspätet an. Das Aus im Achtelfinale gegen Katar war dann eine sportliche Enttäuschung, die er ebensowenig verhindern konnte wie das Hauptrunden-Aus bei der EM vor Jahresfrist in Kroatien.
Bundestrainer Christian Prokop glaubt jedoch, dass all das Gensheimer nur noch stärker gemacht hat. „Uwe hat speziell nach dem letzten Turnier sehr viel reflektiert und vieles zum Positiven verändert“, sagte Prokop: „Er ist ein offener Kapitän, der für jeden Spaß zu haben ist, aber auch immer ein offenes Ohr für Sorgen hat.“
„Uwe hat speziell nach dem letzten Turnier sehr viel reflektiert und vieles zum Positiven verändert.“
Bundestrainer Christian Prokop
Gensheimers ganz persönliches Ziel ist in diesem Jahr das Halbfinale. Aber der 32-Jährige warnt mit eindringlichen Worten: „Wir haben in der Vergangenheit leider den Fehler gemacht, zu weit hinauszuschauen.“Das will er diesmal unbedingt vermeiden – und trainiert dafür hart wie eh und je. „Ich arbeite immer an mir und an meinen Würfen“, sagt Gensheimer. Schließlich habe er den Anspruch, „dieses Niveau zu halten“.
Gensheimer, der in Paris ein „sehr enges Verhältnis“zu Fußball-Coach Thomas Tuchel pflegt, befindet sich voll im Tunnel. Sogar die Entscheidung über seine sportliche Zukunft hat er vertagt. Seine Rückkehr in die Heimat zu den Rhein-Neckar Löwen gilt in der Szene als sehr wahrscheinlich, denn sein Vertrag in Paris läuft im Sommer aus.
Doch jetzt zählt nur das DHBTeam.