Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Gerd Gerber war viel mehr als ein Schöngeist
In 16 Jahren hat der verstorbene Alt-OB das Bild und das Ansehen Weingartens maßgeblich geprägt
WEINGARTEN - Wie bereits vermeldet, ist kurz vor dem Jahreswechsel Weingartens früherer Oberbürgermeister und Ehrenbürger Gerd Gerber nach langer schwerer Krankheit im Alter von 74 Jahren gestorben. Alle, die ihn kannten und in welcher Weise auch immer mit ihm zu tun gehabt haben, erfüllt diese Nachricht mit großer Trauer. Verliert die Stadt doch eine Persönlichkeit, die es wie wenige verstand, Menschen zusammenzuführen in einer Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens.
Der damalige Erste Landesbeamte am Ravensburger Landratsamt hatte lange gezögert, ehe er sich 1992 entschloss, für die Nachfolge des überaus erfolgreichen Oberbürgermeisters Rolf Gerich zu kandidieren. Dabei hatte er bereits in dieser Funktion eindrucksvoll gezeigt, dass ihm der Umgang mit Menschen liegt und er über reichlich Fachkompetenz verfügt, um in der Position des Letztverantwortlichen politische Entscheidungen herbeizuführen.
Unverkennbar war Gerbers Hang zu Poesie und bildender Kunst. Seine Reden bei den Neujahrsempfängen sprühten vor Esprit und waren stets gewürzt mit feiner Ironie, aber nie verletzend, weil er sich auch gern mal selbst auf die Schippe nahm. Doch ein abgehobener Schöngeist, der über dem Alltagsgeschäft schwebt, war Gerd Gerber in seinen 16 Amtsjahren nie. In Sach- wie in Personalfragen konnte er bisweilen ungeahnte Härte und Zähigkeit zeigen.
So kämpfte er erbittert für eine grundlegende Umgestaltung der Kirchstraße und einen autofreien Münsterplatz. Letzterer erhielt in Gerbers letzten Amtsjahren im Wesentlichen sein heutiges Aussehen. Dass es bislang nicht grundlegend gelungen ist, diesen Platz nachhaltig zu beleben, hat neben der schwierigen Topografie mit vielerlei Faktoren zu tun, auf die ein Oberbürgermeister und sein Gemeinderat keinen oder kaum Einfluss haben.
Sieht man einmal von diesem städtischen Sorgenkind ab, das Gerd Gerber auch als Ruheständler manchen Kummer bereitet haben mag, so fiel seine politische Bilanz 2008 so herausragend aus, dass er wohl mit überwältigender Menrheit wiedergewählt worden wäre, hätte er sich für eine dritte, altersbedingt verkürzte Amtszeit entschieden. Dabei spielten ihm auch glückliche Umstände in die Hände.
Der Abzug der Bundeswehr bot die Möglichkeit, auf dem Areal der Argonnenkaserne neben dringend benötigten Gewerbeflächen ein städtebaulich wegweisendes Wohngebiet zu realisieren. Mitten in die Planungen für ein Stadtmuseum in der Villa Stoz platzte die Nachricht, dass das Land das Schlössle aufgibt und Weingarten ein Vorkaufsrecht einräumt. Für die chronisch klamme Stadt war dieser Kauf und die Einrichtung eines lebendigen Museums ein finanzieller Kraftakt.
Gleiches gilt für den Stadtgarten und den Bau einer weiteren öffentlichen Tiefgarage. Selbst die zeitgenössische Kunst, die hier angesiedelt wurde und um die in der Öffentlichkeit leidenschaftlich diskutiert wurde, war bald kein Streitpunkt mehr. Beherzt griff Gerber zu, als sich die Möglichkeit bot, die blaue Majolikawand in der Mannschaftskantine der Argonnenkaserne vor dem Abriss zu retten und sie im Stadtgarten zu präsentieren. Neben einer Großplastik aus Stahl von Robert Schad und dem nach den Plänen des Bildhauers Rudolf Wachter zugeschnittenen Baumstamm ist sie Zeugnis dafür, wie sich scheinbar sperrige Kunst harmonisch in einen attraktiven Naherholungsraum einfügen kann. Auch hier hatte der gewiefte Rathaus-Chef dafür gesorgt, dass die Stadtkasse kaum belastet wurde.
In Sachen Städtepartnerschaften war Gerd Gerber ein exzellenter Botschafter seiner Stadt. Als Frankophiler – geboren ist er im elsässischen Colmar, aufgewachsen aber im oberschwäbischen Biberach – hat er die Beziehungen zu Bron vertieft. Er wurde zum Ritter der Ehrenlegion ernannt und hat die alten Freundschaften zu den ehemaligen Angehörigen der französischen Garnison gepflegt. Daneben ließ er die freundschaftlichen Kontakte nach Südtirol nicht abreißen und war mit den Partnern in Grimma in Sachsen stets in engem Kontakt.
Ein Höhepunkt seiner Amtszeit war es, an die historischen Verbindungen nach Mantua anzuknüpfen und daraus eine lebendige neue Städtepartnerschaft zu schmieden. Mit einer kleinen Delegation reiste Gerber zu Vorgesprächen in die oberitalienische Stadt und wurde dort wie ein alter Freund empfangen. Manche Kritiker nannten es vermessen, dass sich Weingarten an die Seite einer so glanzvollen Stadt zu stellen wagt. Aber es sind die Menschen, die eine solche Partnerschaft tragen. Und dazu hat Gerd Gerber einen maßgeblichen Baustein geliefert. In die Trauer um diese Persönlichkeit mischt sich tiefe und lange Dankbarkeit.