Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ab nach draußen, ob’s stürmt oder schneit
Otto Wachter aus dem Oberallgäu ist einer von 1800 ehrenamtlichen Wetterbeobachtern in Deutschland
OBERALLGÄU - Schattig ist’s, wenn Otto Wachter morgens schaut, wie das Wetter ist. Die Sonne scheint jetzt, im Winter, nicht an sein Haus in Hinterstein-Bruck. Die Gipfel ringsum sind zu hoch. Aber das ist dem 83-Jährigen egal. Er weiß, was zu tun ist, morgens um halb acht. Jeden Tag. Pünktlich: Er notiert akribisch wichtige Eckdaten des Wetters in ein grünes Büchlein: Sonnenschein oder Niederschlag, Raureif oder Schneedecke, Schneetreiben oder Eisglätte. Otto Wachter ist einer von 1800 Wetterbeobachtern in Deutschland – seit Jahrzehnten im Dienst des Deutschen Wetterdiensts (DWD).
Das grüne Büchlein liegt in der guten Stube. Direkt vor dem Fenster. Schaut er von dort auf, sieht er eine Messlatte draußen im Schnee. „Vor einigen Tagen hat es 20 Zentimeter geschneit“, sagt der 83-Jährige. „Jetzt ist die Schneedecke nur noch 15 Zentimeter hoch. Aber wir hatten vergangene Nacht einen Zentimeter Raureif.“Den eisigen Reif misst er auf einem „Wetterbrett“. Dahinter ist eine Metallröhre, ein Auffangbehälter für Niederschlag. Obendrauf thront eine Wetterhexe. Hat es geregnet (oder geschneit), dann nimmt Wachter den Auffangbehälter aus der Röhre und gießt die Flüssigkeit von dort in ein Messglas. „Ja, das ist geeicht vom Wetterdienst“, sagt der Oberallgäuer. Ein volles Messglas bedeutet zehn Liter Wasser auf den Quadratmeter. Und was war der höchste Wert? Beim Pfingsthochwasser 1999, sagt Wachter. Am 21. Mai 1999 hat es laut Aufzeichnungen 234 Liter pro Quadratmeter geregnet. Mehr als in einem ganzen durchschnittlichen Mai-Monat in Bad Hindelang. Da sind es 180 Liter. Sieben Brücken habe es damals im Ostrachtal weggerissen.
Wer nun glaubt, Wachter macht mit seinem „Nebenjob“gutes Geld, der täuscht sich. „300 Euro im Jahr gibt es“, sagt Torben Lüttschwager vom DWD. Eine Aufwandsentschädigung, mehr nicht. Lüttschwager ist Leiter der Regionalen Messnetzgruppe des Deutschen Wetterdiensts in München. Die Beobachtungen würden helfen, den Klimawandel in Deutschland zu erfassen und seine Folgen besser einschätzen zu können.
Wachter ist seit 60 Jahren Wetterbeobachter. Zunächst als Mitarbeiter beim Wasserkraftwerk in Bruck bei Hinterstein. Dort begann er 1958 als Maschinist. Die Aufzeichnungen machten zunächst vier Mitarbeiter abwechselnd. Als das Kraftwerk vor 40 Jahren automatisiert wurde, machte Wachter mit den Wetteraufzeichnungen bei sich zu Hause weiter. Er wohnt in Sichtweite des Kraftwerks. War denn 2018 das trockenste Jahr seit Beginn seiner Aufzeichnungen? Er kann es nicht mit Gewissheit sagen. Da müsste er alle Bücher durchschauen. Er hat die Aufzeichnungen gesammelt seit 1926. Der Wetterdienst ist eine Bundesbehörde und auf die Arbeit von Ehrenamtlichen angewiesen, sagt Lüttschwager im Rathaus von Bad Hindelang, als er Otto Wachter die Bundesverdienstmedaille überreicht für sein langjähriges, ehrenamtliches Wirken.