Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ab nach draußen, ob’s stürmt oder schneit

Otto Wachter aus dem Oberallgäu ist einer von 1800 ehrenamtli­chen Wetterbeob­achtern in Deutschlan­d

- Von Silvia Reich-Recla

OBERALLGÄU - Schattig ist’s, wenn Otto Wachter morgens schaut, wie das Wetter ist. Die Sonne scheint jetzt, im Winter, nicht an sein Haus in Hinterstei­n-Bruck. Die Gipfel ringsum sind zu hoch. Aber das ist dem 83-Jährigen egal. Er weiß, was zu tun ist, morgens um halb acht. Jeden Tag. Pünktlich: Er notiert akribisch wichtige Eckdaten des Wetters in ein grünes Büchlein: Sonnensche­in oder Niederschl­ag, Raureif oder Schneedeck­e, Schneetrei­ben oder Eisglätte. Otto Wachter ist einer von 1800 Wetterbeob­achtern in Deutschlan­d – seit Jahrzehnte­n im Dienst des Deutschen Wetterdien­sts (DWD).

Das grüne Büchlein liegt in der guten Stube. Direkt vor dem Fenster. Schaut er von dort auf, sieht er eine Messlatte draußen im Schnee. „Vor einigen Tagen hat es 20 Zentimeter geschneit“, sagt der 83-Jährige. „Jetzt ist die Schneedeck­e nur noch 15 Zentimeter hoch. Aber wir hatten vergangene Nacht einen Zentimeter Raureif.“Den eisigen Reif misst er auf einem „Wetterbret­t“. Dahinter ist eine Metallröhr­e, ein Auffangbeh­älter für Niederschl­ag. Obendrauf thront eine Wetterhexe. Hat es geregnet (oder geschneit), dann nimmt Wachter den Auffangbeh­älter aus der Röhre und gießt die Flüssigkei­t von dort in ein Messglas. „Ja, das ist geeicht vom Wetterdien­st“, sagt der Oberallgäu­er. Ein volles Messglas bedeutet zehn Liter Wasser auf den Quadratmet­er. Und was war der höchste Wert? Beim Pfingsthoc­hwasser 1999, sagt Wachter. Am 21. Mai 1999 hat es laut Aufzeichnu­ngen 234 Liter pro Quadratmet­er geregnet. Mehr als in einem ganzen durchschni­ttlichen Mai-Monat in Bad Hindelang. Da sind es 180 Liter. Sieben Brücken habe es damals im Ostrachtal weggerisse­n.

Wer nun glaubt, Wachter macht mit seinem „Nebenjob“gutes Geld, der täuscht sich. „300 Euro im Jahr gibt es“, sagt Torben Lüttschwag­er vom DWD. Eine Aufwandsen­tschädigun­g, mehr nicht. Lüttschwag­er ist Leiter der Regionalen Messnetzgr­uppe des Deutschen Wetterdien­sts in München. Die Beobachtun­gen würden helfen, den Klimawande­l in Deutschlan­d zu erfassen und seine Folgen besser einschätze­n zu können.

Wachter ist seit 60 Jahren Wetterbeob­achter. Zunächst als Mitarbeite­r beim Wasserkraf­twerk in Bruck bei Hinterstei­n. Dort begann er 1958 als Maschinist. Die Aufzeichnu­ngen machten zunächst vier Mitarbeite­r abwechseln­d. Als das Kraftwerk vor 40 Jahren automatisi­ert wurde, machte Wachter mit den Wetteraufz­eichnungen bei sich zu Hause weiter. Er wohnt in Sichtweite des Kraftwerks. War denn 2018 das trockenste Jahr seit Beginn seiner Aufzeichnu­ngen? Er kann es nicht mit Gewissheit sagen. Da müsste er alle Bücher durchschau­en. Er hat die Aufzeichnu­ngen gesammelt seit 1926. Der Wetterdien­st ist eine Bundesbehö­rde und auf die Arbeit von Ehrenamtli­chen angewiesen, sagt Lüttschwag­er im Rathaus von Bad Hindelang, als er Otto Wachter die Bundesverd­ienstmedai­lle überreicht für sein langjährig­es, ehrenamtli­ches Wirken.

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FOTO: REICH-RECLA Otto Wachter frühmorgen­s an seinem „Wetterbret­t“. In der Nacht hat es einen Zentimeter Raureif gegeben.

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