Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Seehofer zweifelt an Umfragewerten
CSU-Chef trotzt den Prognosen – Hälfte der Wähler in Bayern unentschlossen
BERLIN/RAVENSBURG - Kurz vor der Bayern-Wahl am Sonntag ist einer neuen Umfrage zufolge jeder zweite Wahlberechtigte noch unentschlossen. In einer am Donnerstag veröffentlichten Erhebung des Instituts GMS gaben 53 Prozent an, ihre Wahlteilnahme oder Wahlabsicht sei noch unsicher. Der Anteil ist im Vergleich zu den vergangenen Wochen sogar noch leicht gestiegen. Gespalten sind die Bayern laut Umfrage darin, welche Koalition besser wäre, sollte das Wahlergebnis Zweierbündnisse ermöglichen. 37 Prozent wären dann für Schwarz-Grün, 33 Prozent für eine Koalition von CSU und Freien Wählern. Von den CSUAnhängern sind 40 Prozent für eine Koalition mit den Freien Wählern, 38 Prozent für eine mit den Grünen.
Eine Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für die „Augsburger Allgemeine“und Spiegel Online sieht die CSU derweil weiter im Tief: Die Christsozialen liegen in der Erhebung bei 32,9 Prozent, die Grünen auf einem Rekordwert von 18,5 Prozent. Die AfD erreicht in der Umfrage mit 12,8 Prozent den dritten Platz, die SPD rangiert mit 11,0 Prozent nur noch an vierter Stelle. Die Freien Wähler kommen auf 9,8 Prozent. Die FDP kann sich mit 5,9 Prozent Hoffnungen auf den Einzug ins Parlament machen.
Laut einer neuen Emnid-Umfrage fordern 32 Prozent der Bürger im Freistaat im Falle eines Wahldebakels der CSU den Rücktritt von Parteichef Horst Seehofer. Der CSUChef selbst will sich zu seiner Zukunft allerdings nicht äußern. „Ich fühle mich pudelwohl“, sagte er am Donnerstag in Berlin auf die Frage, ob er auch im nächsten Jahr noch Bundesinnenminister sein werde. Nachdenklich wird Horst Seehofer, wenn er nach seiner Wahleinschätzung gefragt wird. „Das, was ich an den Wahlkampfständen und im Gespräch mit den Leuten erlebe, ist anders als das, was die Umfragen vorhersagen“, so Seehofer. Auf jeden Fall aber tritt Seehofer nicht nur am Montag in München, sondern auch am Dienstag in Berlin vor die Presse, um Auswirkungen der Wahl im Freistaat auf den Bund zu erläutern.
BERLIN - 800 Millionen Schadprogramme waren im letzten Jahr in Deutschland im Umlauf, 390 000 neue Schadprogrammvarianten jeden Tag – das Bedrohungspotential ist allgegenwärtig. „Die Gefährdungslage ist hoch und angespannt“, sagt Innenminister Horst Seehofer, „für Staat, Wirtschaft und Nutzer“. Das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) stellt einmal im Jahr seinen Bericht vor.
Über die Schulter geschaut
Horst Seehofer will diesmal auf zwei Fälle exemplarisch hinweisen: Der erste sind die Angriffe auf das Auswärtige Amt. Eine von der Hochschule des Bundes betriebene Lernplattform wurde angegriffen, um über diesen Schritt Zugang in das Netz des Auswärtigen Amtes zu bekommen. Dieser Angriff scheiterte, und er konnte verdeckt beobachtet werden, um das Vorgehen der Angreifer zu analysieren. Arne Schönbohm, Präsident des BSI, vergleicht das mit einem Einbrecher, den man bei seinem Rundgang über die Schulter schaut.
Der zweite Fall sind die Infektionen mit dem Schadsoftware wannaCry, die unter anderem bei einem Wasserversorger, einem Anlagenbauer und einem Krankenhausverbund festgestellt wurden.
„Die Wirtschaft ist aufgerufen, den Schutz zu intensivieren“, sagt Seehofer. Knapp 70 Prozent der Unternehmen und Institutionen in Deutschland sind in den Jahren 2016 und 2017 Opfer von Cyberangriffen geworden. In knapp der Hälfte der Fälle waren die Angreifer erfolgreich und konnten Internetauftritte beeinflussen beziehungsweise Produktionsund Betriebsausfälle herbeiführen.
Laut Horst Seehofer leistet das BSI „unverzichtbare und hoch erfolgreiche Arbeit.“Er will die ITSchützer vom BSI den andern großen Organisationen wie dem BKA, dem Verfassungsschutz und Bundespolizei als vierten Pfeiler gleichstellen. Das Personal wird in diesem Jahr um 100 Mitarbeiter aufgestockt. Das alles hört Präsident Arne Schönbohm gerne. „Die Lage hat sich weiter zugespitzt“, so Schönbohm, „und es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sich das künftig ändern wird“. Die Vernetzung von IT-Systemen, Alltagsgegenständen und Industrieanlagen führe dazu, dass sich die Abhängigkeit von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft von funktionierender IT-Infrastruktur täglich vergrößere, so der BSI-Bericht. Schönbohm erinnert an das automatische Fahren als neue Herausforderung.
IHK: Politik muss Betrieben helfen
16 Millionen Warnungen hat das BSI letztes Jahr ausgesprochen. Auch in Baden-Württemberg sind die Fallzahlen angestiegen. „Die Ausspähmechanismen werden dabei immer ausgefeilter“, sagt Baden-Württembergs IHK-Präsident Wolfgang Grenke. „Sich gegen solches Vorgehen abzusichern, wird für Betriebe und Mitarbeiter immer aufwändiger, komplexer und teurer. “Deshalb sei auch die Politik gefordert: Kleine und mittlere Unternehmen bräuchten vielfältige Hilfen, um in ihren Transformationsbemühungen hin zu Wirtschaft 4.0 auch die Digitalsicherheit 4.0 zu erreichen, so Grenke.
Zugenommen haben im Land auch Fälle von „Sextortion“– also Erpressung auf sexueller Grundlage, 800 Fälle hat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg in diesem Jahr bereits registriert. Hier wird gezielt versucht, Menschen aus ihrem Schamgefühl heraus zu erpressen.
Während in der Wirtschaft das Bewusstsein für die Lage hoch ist und 89 Prozent Maßnahmen ergriffen haben, um die Netze abzusichern, ist das Verhalten privater ITNutzer sorgloser. Nur jeder Dritte informiert sich gezielt zum Thema ITSicherheit. Allerdings wurden schon 19 Prozent selbst zum Opfer von Kriminalität im Internet.