Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Meer statt Rasen
Talent Alexander Zverev kassiert den nächsten Schlag
WIMBLEDON (SID) - Nach dem nächsten schmerzhaften Niederschlag bei einem Grand-Slam-Event tauschte Alexander Zverev den grünen Rasen schnellstmöglich gegen das blaue Meer. Auf einem Boot vor der Küste seiner Wahlheimat Monte Carlo schob der gebürtige Hamburger die Gedanken an sein bitteres Drittrunden-Aus von Wimbledon beiseite. „Morgen und übermorgen bin ich am Wasser“, hatte Zverev direkt nach seiner überraschenden Niederlage gegen den Letten Ernests Gulbis angekündigt: „Hier wird man mich nicht mehr sehen.“
Bedingt hatte Zverevs überstürzte Abreise aus dem Rasen-Mekka in London ein krachender Fünfsatz-K.o. am späten Samstagnachmittag. Mit 6:7 (2), 6:4, 7:5, 3:6, 0:6 verlor der 21-Jährige gegen den auf Position 138 der Weltrangliste geführten Gulbis und verpasste damit wieder einmal die zweite Woche eines der vier Majors – zum elften Mal im 13. Anlauf. Die Hoffnung, dass er sein gewaltiges Potenzial endlich auch auf der ganz großen Tennis-Bühne abruft, blieb unerfüllt.
Die Gründe für Zverevs wiederholtes Scheitern sind vielschichtig. Seine frühere mentale Blockade schien eigentlich gelöst, nachdem er viermal hintereinander in Fünfsatzmatches triumphiert hatte. Zuletzt jedoch ließ den Youngster sein Körper im Stich. In seinem ersten Grand-Slam-Viertelfinale bei den French Open stoppte ihn ein vier Zentimeter langer Muskelriss. Diesmal ging ihm geschwächt von einem Magen-Darm-Infekt, der in den ersten Tagen im Spiellager gewütet hatte, die Puste aus.
„Es war, als hätte jemand im vierten Satz den Stecker gezogen“, berichtete Zverev: „Normalerweise verliere ich den vierten und fünften Satz nicht so.“Bei seinem Zweitrundenerfolg gegen den US-Boy Taylor Fritz, ebenfalls über die volle Distanz von fünf Sätzen, hatte er sich während des Spiels auf der Toilette übergeben müssen. Die Spätfolgen von 24 Stunden ohne vernünftige Nahrungsaufnahme bremsten ihn nun offensichtlich aus.
Eine Frage der Zeit
Entsprechend vorsichtig war Zverev deshalb auch bei der Einordnung der Niederlage von Wimbledon. Bei den French Open sei die Enttäuschung größer gewesen, weil er sich als zweitbester Spieler der Sandplatzsaison gefühlt habe, erzählte er. Diesmal habe er nach einer durchwachsenen Vorbereitung ohnehin gedämpfte Erwartungen gehabt. Dass ihn sein Aus nicht völlig kalt ließ, zeigte allerdings alleine die Episode, als er sich im dritten Satz mit einem Linienrichter anlegte und dafür eine Verwarnung kassierte.
Trotzdem: Zverev gehört auch weiter die Zukunft im Tennis. Davon ist vor allem auch er selbst überzeugt. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis meine Grand-Slam-Bilanz viel besser wird“, sagte er am Samstag noch einmal: „Ich habe vor, noch 15-mal Paris und 15-mal Wimbledon zu spielen. Ich mache mir keine Sorgen.“Eine Gelassenheit, die ihm zweifellos guttun kann. Wie lange er noch derart geduldig mit sich selbst ist, bleibt allerdings abzuwarten. Zverev ist nicht der beste Verlierer.