Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wie Ärger nach Bagatellschäden vermieden werden kann
Bei Unfallflucht droht der Führerscheinentzug – Experten raten zu äußerster Vorsicht
Eine kleine Unachtsamkeit, die Tür ein Stück zu weit geöffnet, und schon hat man beim Auto nebenan den Lack beschädigt. Eine Bagatelle? Nein, denn auch kleine Schäden können viel Ärger bedeuten und müssen daher korrekt abgewickelt werden. Aber wie geht das? Ein Überblick:
Was reicht zur Benachrichtigung des Geschädigten?
Hier gelten die gleichen Regeln wie bei einem gewöhnlichen Unfall: „Wenn der Fahrer des beschädigten Fahrzeugs nicht vor Ort anzutreffen ist, sind Sie laut Paragraph 142 Strafgesetzbuch dazu verpflichtet, eine angemessene Zeit auf den Fahrer zu warten“, sagt Holger Küster, Geschäftsführer des ACV AutomobilClub Verkehr. Taucht der Geschädigte nicht auf, sollte der Verursacher die Polizei informieren. Wenn so etwas auf dem Parkplatz eines Kaufhauses passiert, könne man auch versuchen, den Halter ausrufen zu lassen.
Warum reicht der berühmte Zettel an der Windschutzscheibe nicht aus?
Auch wenn hier guter Wille gezeigt wird: Der Verursacher macht sich mit einem einfachen Zettel schon strafbar. „So ein Zettel kann wegfliegen und ist daher nicht sicher genug, um den Geschädigten zu informieren“, sagt Jens Dötsch, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Andernach. Auch könne ein Zettel oder eine Visitenkarte von einer anderen Person entfernt werden. Wer sich auf einen Zettel verlässt, riskiere daher eine Strafanzeige wegen Fahrerflucht.
Ab wann ist es Unfallflucht?
Das hängt auch von der Schadenshöhe ab. Hier reicht laut Dötsch bereits ein Wert von rund 50 Euro aus. „Es ist daher dringend zu empfehlen, auf den Geschädigten zu warten oder eben die Polizei zu rufen, um sich abzusichern.“
Wie lange muss man auf den Besitzer warten?
Eine gesetzlich festgelegte Wartezeit gibt es nicht. Das hängt auch von der Zumutbarkeit und Faktoren wie Witterungsbedingungen, der Schwere des Schadens und der Chance ab, den Geschädigten anzutreffen. „Bei einem leichten Parkunfall auf dem Kaufhausparkplatz sollte der Verursacher etwa 30 Minuten warten“, sagt Küster. Bei einem schweren Parkschaden könnten auch bis zu zwei Stunden als zumutbar gelten.
Ist bei einem Sachschaden von 2000 Euro und Fahrerflucht der Führerschein weg?
Ja, sogar schon bei einer geringeren Schadenshöhe. „Der Führerscheinentzug droht, wenn sich der Verursacher vom Unfallort entfernt, obwohl er einen bedeutenden Schaden verursacht hat“, sagt Dötsch. Als Richtwert gelten hier 1500 Euro.
Ist es bei einem Bagatellschaden wie einem Rempler wegen der Geringfügigkeit verboten, die Polizei zu rufen?
Nein, die Polizei darf immer gerufen werden, auch wenn der Schaden sehr gering oder zunächst nicht zu erkennen ist. „Gerade bei Uneinigkeit über die Schuldfrage oder den Unfallhergang selbst sollte die Polizei gerufen werden, selbst wenn kein Schaden zu sehen ist“, rät Küster. Die Polizei könne Schäden, Unfallhergang und Zeugenaussagen aufnehmen und protokollieren. Das sei auch hilfreich, um später die Schadensregulierung mit der Versicherung zu vereinfachen.
Wenn man ein anderes Auto berührt hat, aber keinen Schaden erkennen kann, muss man dann trotzdem den anderen informieren?
Auf jeden Fall. „Der Schaden kann ja für einen Laien auch gar nicht sichtbar sein, daher darf man sich in so einem Fall nicht nur auf das eigene Urteil verlassen“, sagt Dötsch. Der andere muss die Möglichkeit haben, sich selbst ein Urteil zu bilden. Ist er auch der Ansicht, dass nichts passiert ist, könne die Sache abgehakt werden.
Was ist mit Schäden, die zunächst nicht erkennbar waren?
Auch im Nachhinein hat der Geschädigte die Möglichkeit, seine Ansprüche geltend zu machen. „Wenn ein Schaden vom Geschädigten nicht sofort bei der gegnerischen Versicherung gemeldet wird, geht der Anspruch auf Schadenersatz nicht verloren“, erklärt Kathrin Jarosch vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Wichtig: Die Beschädigung sollte immer möglichst eindeutig auf Fotos festgehalten werden. „Auch wenn die Schadenshöhe auf den ersten Blick gering erscheint: So erspart man sich späteren Streit um die erforderlichen Reparaturkosten.“
Der Unfallverursacher hat keine Daten über seine Versicherung zur Hand. Was tun?
Die notwendigen Informationen lassen sich über den Zentralruf der Autoversicherer unter der kostenfreien Nummer 0800/250 260 0 besorgen. „Der Zentralruf benötigt lediglich das Kennzeichen des Unfallgegners, um die Haftpflichtversicherung ermitteln zu können“, sagt Jarosch. Dort erfahre man auch die Versicherung von Fahrzeugen aus dem europäischen Ausland und die Kontaktdaten des jeweiligen deutschen Ansprechpartners.
Nur geringer Schaden – trotzdem einen Sachverständigen beauftragen?
Das kann für den Besitzer, dessen Auto beschädigt wurde, unter Umständen teuer werden. „Es gilt die Schadenminderungspflicht, wonach auch der Geschädigte dafür sorgen muss, dass die Kosten gering bleiben“, sagt Küster. Liegen die Kosten des Schadens unter der Bagatellgrenze von circa 750 Euro, würden Versicherungen die Kosten für einen Sachverständigen oft nur zögerlich oder auch gar nicht erstatten.
Wenn sich Verursacher und Geschädigter vor Ort auf eine Regelung verständigen – etwa 100 Euro in bar –, ist das dann für beide Parteien bindend?
Eigentlich ja, sagt Dötsch: „So eine Verabredung über die Zahlung eines Pauschalbetrags beinhaltet dann auch, dass der Geschädigte auf etwaige weitere Ersatzansprüche verzichtet.“Schwierig sei jedoch, wenn der Geschädigte im Nachhinein hiervon nichts mehr wissen will und es keine Zeugen gibt. „Es empfiehlt sich daher, eine solche Vereinbarung schriftlich zu fixieren, damit sie nötigenfalls auch bewiesen werden kann“, rät Dötsch.