Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Gündogan stellt sich, Özil duckt sich weg
Die Fotos mit dem türkischen Präsidenten Erdogan verfolgen die Nationalspieler weiter
EPPAN (SID) - Ilkay Gündogan sitzt in kurzer Hose und Badelatschen unter einem Olivenbaum auf der Terrasse des Teamhotels Weinegg. Den großen Rummel beim Medientag eine Stunde zuvor hat er gemieden, doch Redebedarf hat er nach dem viel diskutierten Treffen mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan dennoch. Von der Heftigkeit der Reaktionen sei er „getroffen“worden: „Vor allem von den persönlichen Beleidigungen.“Im Gespräch räumte er aber ein, „dass ich verstehe, dass man die Aktion nicht gut finden muss.“Es sei eine Erfahrung gewesen, die nicht leicht gewesen sei: „Wir haben durch unsere türkischen Wurzeln noch einen sehr starken Bezug zur Türkei. Das heißt aber nicht, dass wir jemals behauptet hätten, Herr Steinmeier sei nicht unser Bundespräsident oder Frau Merkel nicht unsere Bundeskanzlerin. Es war nie das Thema, ein politisches Statement zu setzen.“
Die Kritik kann er aber nachvollziehen. „Jeder Mensch hat seine eigene Meinung. Deswegen haben wir auch die Meinungsfreiheit. Dafür stehe ich. Genau dafür fühle ich mich privilegiert, in Deutschland geboren und aufgewachsen zu sein. Aber beleidigen lassen will ich mich auch nicht“, sagte Gündogan.
Der 27-Jährige ist dabei deutlich in seinen Aussagen. Dass er das Thema kurz vor der WM in Russland allmählich abhaken möchte, ist ihm aber anzumerken. Denn: „Es war für mich ein tiefer Schlag, dass es so dargestellt wird, dass wir nicht integriert seien und nicht nach deutschen Werten leben würden.“
Gündogan und Mesut Özil hatten Erdogan am 13. Mai in London getroffen. Beide hatten dem in der westlichen Welt höchst umstrittenen Staatspräsidenten signierte Trikots ihrer Vereine Manchester City und FC Arsenal überreicht.
Gündogan und Özil haben danach mit DFB-Präsident Reinhard Grindel, Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff intensive Gespräche geführt. Auch ein Besuch bei Bundespräsident FrankWalter Steinmeier stand auf dem Programm. „Darin haben wir auch erklärt, dass wir zu hundert Prozent zu den Werten stehen, die in Deutsch- land gelebt werden“, sagte Gündogan, der anders als bisher angenommen, nur den deutschen Pass besitzt.
Bierhoff und Löw nahmen die Spieler in Schutz. „Mesut und Ilkay sind junge Menschen. Man muss sie nicht auf ewig verdammen“, so Bierhoff. Löw machte deutlich, dass eine WM-Nichtnominierung der beiden „nie ein Thema“gewesen sei.
Dennoch sorgte das Thema auch innerhalb der Mannschaft im Trainingslager l für Gesprächsstoff. „Sie wollten wissen, wie das zustande gekommen ist“, berichtete Gündogan und lieferte gleich die Antwort: „Wir waren dort, weil türkischstämmige Fußballer aus der Premier League auf eine Stiftungsveranstaltung eingeladen worden sind und dann ist dort dieses Foto entstanden.“
Die Mitspieler stehen hinter dem Duo. „Die Pfiffe sind nicht schön. Beide spielen für Deutschland und sind sehr stark mit Deutschland verwurzelt“, sagte Mats Hummels. „Ich habe meine Meinung dazu“, sagte auch der stellvertretende Kapitän Sami Khedira, der tunesische Wurzeln hat. „Ich beurteile sie danach, wie ich sie auf dem Platz erlebe und persönlich. Da haben sie sich nicht verändert. Sie wissen schon, was sie gemacht haben und wie sie jetzt damit umzugehen haben.“Dennoch verzichtete Özil auf Aussagen. Er habe aus seiner Sicht genug zu dem Thema gesagt, hieß es vom DFB.
„Für mich war es wichtig, mich zu zeigen. Ich wünsche mir wieder Normalität, ich will mich nicht verstecken. Jeder hat einen eigenen Umgang mit der Situation. Jetzt will ich mich wieder auf das Wesentliche konzentrieren“, so Gündogan. Die Konzentration gilt nun der Mission Titelverteidigung in Russland.