Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Warum Putin Österreich mag
Der russische Präsident will über Wien sein Verhältnis zur EU bessern - Freundschaft hat Tradition
WIEN - Der russische Präsident Wladimir Putin sieht eine Chance für einen schrittweisen Neubeginn in den Beziehungen zwischen der EU und Russland. „Am Wiederaufbau des vollen Formats unserer Zusammenarbeit ist nicht nur Russland interessiert, auch unsere europäischen Freunde sind es“, sagte Putin bei seinem Arbeitsbesuch in Wien.
Putin trat Vorwürfen entgegen, sein Land strebe eine Spaltung der EU an. „Wir verfolgen nicht das Ziel, etwas oder jemanden in der EU zu spalten“, sagte Putin dem Sender ORF. Russland habe stattdessen ein Interesse daran, dass die EU als wichtigster Handels- und Wirtschaftspartner „geeint ist und floriert“.
Je mehr Probleme die EU habe, desto mehr Probleme gebe es auch für Russland, sagte Putin. Er wandte sich auch dagegen, dass es Verbindungen seiner Partei Vereintes Russland mit der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich gebe, die dort an der Regierungskoalition beteiligt ist. Die FPÖ fordert unter anderem eine Lockerung der im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt verhängten Russland-Sanktionen der EU.
Österreich übernimmt in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft und will dies nutzen, um die Beziehungen der Union zu Russland Zug um Zug wieder zu beleben. „Wir glauben daran, dass eine WinWin-Situation für beide Seiten besser ist als eine Lose-Lose-Situation“, sagte Kanzler Sebastian Kurz.
Österreich gilt als bester Freund Russlands in der EU. Am Dienstag war Putin bereits zum sechsten Mal auf Besuch in Wien. „Russland nimmt die derzeitige Politik Österreichs sehr positiv auf“, sagte der Moskauer Politologe Fjodor Lukjanow einer Wiener Zeitung. Der offizielle Anlass des jüngsten Wien-Aufenthalts von Putin ist der 50. Jahrestag des Erdgasliefervertrags: Österreich war 1968 das erste westliche Land, das mit der damaligen Sowjetunion einen derartigen Rohstoff-Deal vereinbarte. Ums Gasgeschäft ging es auch bei Putins Wien-Besuch 2014: Damals unterzeichneten der österreichische Energiemulti OMV und der Staatskonzern Gazprom den South-Stream-Vertrag. Mit beteiligt ist OMV auch bei der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Und neuerdings darf die teilstaatliche OMV in Sibirien sogar selbst Erdgas fördern.
Doch Geschäfte mit Russland und Freundschaft mit Putin sind nicht trennbar, auch wenn Vertreter von Regierung und Wirtschaft in Österreich beharrlich diesen Eindruck erwecken wollen. So befindet sich Kurz in der Russlandpolitik selten auf EUKurs. Als kürzlich nach dem versuchten Giftmord an dem übergelaufenen Agenten Sergej Skripal und seiner Tochter in London 14 EU-Staaten russische Diplomaten auswiesen, scherte Österreich demonstrativ aus. Die Schuld des Kreml sei nicht erwiesen, hieß es. Moskau bedankte sich herzlich. Auch die Sanktionen trägt Kurz nur halbherzig mit und fordert deren schrittweise Aufhebung, während die Brüsseler Kommission und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) darauf bestehen, dass erst das Minsker Abkommen sprich: die Wiederherstellung der vollen Souveränität der Ukraine zur Gänze erfüllt werden müsse.
Treue Verbündete in der FPÖ
Bei seinem Besuch Anfang März in Moskau wurde Österreichs Jungkanzler von Putins Medien als „politisches Wunderkind“und vor allem als Gegenspieler zu Merkel gefeiert, der den Dialog suche. Die treuesten Verbündeten findet Putin in der FPÖ. „Es ist höchste Zeit, die leidigen Sanktionen gegen Russland zu beenden“, begrüßte FPÖ-Chef und Vizekanzler HeinzChristian Strache Putin devot am Vorabend des Besuchs.
Österreichs Russland-Freundlichkeit wurzelt in der Nachkriegszeit: Die Sowjetunion war 1955 eine der vier Signatarmächte des österreichischen Staatsvertrags. Seither sitzt in den Österreichern eine Art Urangst, auf das Wohlwollen Moskaus für alle Zeit angewiesen zu sein. Warum, so die Devise, sollte man sich Putin zum Feind machen, wenn man ihn auch als „Freund“haben kann.