Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Alexander Gerst startet heute ins All
Alexander Gerst startet heute von Baikonur aus zur Internationalen Raumstation
BAIKONUR (dpa) - Nach vier Jahren auf der Erde kehrt der Astronaut Alexander Gerst aus Künzelsau zurück zur Internationalen Raumstation (ISS) und wird zeitweise als erster Deutscher ihr Kommandant. Die Sojus-Rakete startet heute um 13.12 Uhr vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Mit dem 42jährigen Gerst aus Künzelsau fliegen der russische Kampfpilot Sergej Prokopjew und die US-Ärztin Serena Auñón-Chancellor zum Außenposten der Menschheit.
BAIKONUR (dpa) - Es wird Ernst: Heute macht sich der deutsche Astronaut Alexander Gerst auf den Weg zur Internationalen Raumstation (ISS). Wenn die Sojus-Rakete um 13.12 Uhr vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan startet, stehen dem 42-Jährigen aus Künzelsau (Hohenlohekreis) sechs Monate im All bevor.
Die Crew sei „bester Verfassung und guter Stimmung“, sagte der deutsche Ex-Astronaut Thomas Reiter am Dienstag in Baikonur. Das sei verständlich, denn wenn man nach langer Trainingszeit vor dem Beginn der Mission stehe, sei man wirklich froh, das hinter sich zu haben. Dann fiebert man dem Moment entgegen, in dem es wirklich losgeht und die Rakete abhebt“, sagte Reiter. Aber den Raumfahrern sei auch klar: „Vor ihnen liegt jetzt eine sehr anspruchsvolle Aufgabe“, sagte Reiter. Mit Gerst fliegen der Russe Sergej Prokopjew und die US-Amerikanerin Serena Auñón-Chancellor zur ISS.
Gut sechs Monate soll der promovierte Geophysiker Gerst in dem fliegenden Labor rund 400 Kilometer über der Erde bleiben. Teil seiner Mission „Horizons“(Horizonte) sind etwa 300 Experimente, darunter 41 des Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt (DLR). Unter anderem arbeitet Gerst mit einem Roboter, der auf Sprachbefehle hört. Mit dem Projekt „CIMON“testet das DLR künstliche Intelligenz. Für etwa die Hälfte der Zeit darf Gerst zudem ab Herbst das Kommando auf der Raumstation übernehmen. Dies gilt als seltene Ehre, die sich normalerweise die Hauptgeldgeber USA und Russland vorbehalten.
Gerst war schon 2014 für ein halbes Jahr auf der ISS. Deshalb könne er ihm kaum Ratschläge geben, sagte Reiter. Der 60-Jährige war zweimal im All (1995, 2006) und arbeitet als Berater des Direktors der Europäischen Raumfahrtagentur Esa. Der Esa-Astronaut Gerst solle bei aller Verantwortung nicht vergessen, regelmäßig aus dem Fenster zu schauen und den Weltraum auf sich wirken zu lassen, empfahl Reiter.
WM-Fieber im Weltall
Bevor die Raumfahrer auf der ISS ankommen, müssen sie zwei Tage in der engen Kapsel „Sojus MS-09“ausharren. Am Freitag, nach 34 Erdumrundungen, soll das Raumschiff an der Station andocken. Dort erwarten sie die US-Astronauten Andrew Feustel und Richard Arnold sowie der Kosmonaut Oleg Artjemjew.
Gersts Aufenthalt fällt in die Zeit der Fußball-WM in Russland. Er werde das Public Viewing vermissen, sagte Gerst am Dienstag in Baikonur. Eine WM am Boden sei noch einmal ein bisschen schöner als im All. „Ich fand es immer toll in Deutschland – in Russland gibt es das auch – , dass man sich draußen im Biergarten trifft, wo eine große Leinwand ist. Diese Stimmung werde ich schon vermissen.“Prokopjew sagte, die Mannschaft werde einen WM-Ball mit auf die ISS nehmen und am 15. Juli, dem Tag des Finales, ein kleines Show-Spiel abhalten. Es werde natürlich kein echtes Fußballspiel werden, damit nichts kaputt gehe, betonte Prokopjew: „Sie verstehen, die Station ist ziemlich teuer.“
In einer kurzen Andacht segnete der orthodoxe Priester Vater Sergej die Rakete. An einem provisorischen Altar sprach er am Dienstag ein Gebet. Dann bespritzte er die Rakete sowie umstehende Vertreter des Raumfahrtpersonals und Reporter mit Weihwasser. Die Crew war dabei nicht anwesend. Die Segnung der Sojus-Rakete ist eine der zahlreichen Traditionen der russischen Raumfahrt. Dazu gehören auch die Bräuche, einen Baum zu pflanzen und einen sowjetischen Kinoklassiker aus den 1970er-Jahren anzuschauen. Manche der Rituale, die Glück bringen sollen, gehen auf Raumfahrtpionier Juri Gagarin zurück. Die Segnung wurde erst in den 1990er-Jahren eingeführt. Seit 20 Jahren segne er schon jede Rakete und jede Crew, sagte Vater Sergej. „Es sind noch alle wieder zurück zur Erde gekommen.“