Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Sieger ohne Partner
Ob der tschechische Milliardär Andrej Babis Premierminister wird, ist ungewiss
WIEN - Die Parlamentswahl in Tschechien vom Wochenende ist ein glatter Sieg für den Populismus und eine schwere Niederlage für die Demokratie. Doch ob der triumphale Wahlsieger Andrej Babis neuer Premier wird, ist noch offen. Fast alle Parteien in Tschechien lehnen eine Zusammenarbeit mit dem Wahlsieger ab. Eine Neuauflage der alten Koalition wäre denkbar. Doch die zuletzt mitregierenden Sozial- und Christdemokraten stellen die Bedingung, dass Babis selbst der neuen Regierung nicht angehören dürfe, solange gegen ihn strafrechtlich ermittelt werde. Ein Verfassungsjurist erklärte am Sonntag in Prag, die Untersuchungen könnten jetzt eingestellt werden, da ihm das neue Parlament die entzogene politische Immunität wieder zurückgeben werde.
Wahl hinterlässt Trümmerhaufen
Von der tschechischen Politik, die nach unzähligen Korruptionsskandalen moralisch längst zerrüttet war, blieb nach der Wahl nur noch ein Trümmerhaufen. Die traditionellen demokratischen Parteien sind im künftigen Parlament (200 Sitze) mit rund 35 Prozent der Stimmen klar in der Minderheit. Die Mehrheit gehört Populisten aller Art – allen voran dem Wahlsieger, EU-Skeptiker, Unternehmer und Multimilliardär Andrej Babis. Seine Protestpartei Ano, 2013 auf Anhieb zweitstärkste Kraft, gewann haushoch mit 29,7 Prozent der Stimmen. Sie legte um elf Prozent zu. Eine Partei im herkömmlichen Sinn ist Ano nicht, vielmehr eine Art Wahlverein, in dem Babis nach Belieben schaltet und waltet. Das Kürzel ist doppeldeutig: Ano heißt übersetzt „Aktion unzufriedener Bürger“oder einfach „Ja“.
Zweitstärkste Partei wurde mit 11,3 Prozent die von Ex-Präsident Vaclav Klaus gegründete, EU-skeptische konservative ODS, die das völlig zersplitterte bürgerliche Lager anführt. Es hat 20 Jahre nach der Wende die Politik des Landes bestimmt und repräsentiert heute nur noch ein Fünftel der Wähler. Die bislang mitregierenden Christdemokraten (KDZ-CSL) und die liberale Top 09 von Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg schafften mit 5,8 respektive 5,3 Prozent gerade noch den Einzug ins Parlament.
Größte Verlierer sind die Linksparteien. Die Sozialdemokraten (CSSD), die zuletzt mit Bohuslav Sobotka den Regierungschef stellten, verloren zwei Drittel ihrer Wähler und fielen mit 7,3 Prozent auf den sechsten Rang zurück. Der unpopuläre Premier Sobotka musste die Spitzenkandidatur an Außenminister Lubomir Zaoralek abtreten. Aber Zaoralek konnte das Debakel nicht verhindern: Die CSSD fiel sogar hinter die Moskau-treuen Kommunisten (7,8 Prozent) zurück, obwohl sie buchstäblich halbiert wurden. Überraschend gut schnitten Außenseiter ab. Die linksgerichteten Piraten kamen erstmals mit 10,8 Prozent auf den dritten Platz. Die rechtsextreme SPD des Islamkritikers Tomio Okamura wurde mit 10,7 Prozent viertstärkste Partei. Okamura ist Tscheche mit japanischen Wurzeln.
Der 63-jährige Ex-Finanzminister und gebürtige Slowake Andrej Babis verdankt den Sieg vor allem seiner Selbstdarstellung als Anti-Politiker und seinen schlichten Botschaften. „Wir wollen das korrupte Klientelsystem besiegen“, ist seit Jahren sein Leitmotiv. Dabei gehört Babis selbst als nunmehr mächtigster Mann des Landes längst dazu. Als Chef des Großkonzerns Agrofert – ein Konglomerat aus 250 Firmen mit 34 000 Beschäftigten – vermischt er Politik mit geschäftlichen Eigeninteressen, weshalb die Polizei gegen ihn wegen Steuerbetrugs und erschlichener EU-Fördergelder ermittelt. Über ein Medienimperium beeinflusst er wie kaum ein anderer Politiker die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten. Seine Vergangenheit als kommunistischer Stasi-Spitzel blieb all die Jahre diffus.
Vorwürfe prallen ab
Doch wie an US-Präsident Donald Trump prallen auch an Babis Angriffe und Vorwürfe seiner Gegner wirkungslos ab. Viele Tschechen glauben, wegen seines Reichtums habe er es nicht nötig, korrupt zu sein. Sein Vermögen wird auf über drei Milliarden Dollar geschätzt. „Den Staat muss man wie eine Firma führen“, glaubt er, weshalb mittlerweile der Witz kursiert, Babis werde jetzt wohl die Republik als Zweig in seinen Mischkonzern eingliedern. „Wir sind keine Gefahr für die Demokratie“, beschwichtigte er.
Auch Babis hatte diffuse Ängste und Vorurteile im Volk reichlich bedient: Er spricht sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus und wirft der EU „diktatorisches Verhalten“vor. Für einen Austritt plädiert der gewiefte Geschäftsmann freilich nicht. Im Gegenteil. „Tschechien muss in der EU eine aktive Rolle spielen“, sagte er am Sonntag in Prag.