Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie Kinder Demenzpati­enten helfen

Paulina Vogel aus Ersingen hat mit einer liebevolle­n Idee einen Preis gewonnen

- Von Reiner Schick ●

- Einen Preis unter majestätis­cher Schirmherr­schaft bekommt auch nicht jeder. Paulina Vogel aus Ersingen schon. Um von Königin Silvia von Schweden geadelt zu werden, musste die 18Jährige kreativ werden und ein außergewöh­nliches Konzept für die Pflege von Seniorinne­n und Senioren entwerfen. Das tat sie mit Erfolg. Dabei spielen Musik und Kinder eine besondere Rolle.

„Queen Silvia Nursing Award“– nie zuvor hatte Paulina Vogel von diesem Wettbewerb gehört. „Von meiner Berufsschu­le habe ich davon erfahren und wurde gefragt, ob ich nicht Lust und eine Idee hätte“, erzählt die 18-Jährige, aktuell im zweiten Ausbildung­sjahr zur Pf legefachkr­aft an der Berufsfach­schule der ADK GmbH in Ehingen. Sie schaute sich im Internet die Ideen der Vorjahress­ieger an, dabei fiel ihr auf: „Da war viel technische­s, aber wenig zwischenme­nschliches dabei.“Genau dem wollte sie schließlic­h entgegenwi­rken – mit Hilfe ihrer beiden großen Leidenscha­ften: Musik und Pf lege.

„Wir sind eine Musikerfam­ilie und ich spiele schon von klein auf Trompete. Vor meiner Pflegeausb­ildung habe ich ein Freiwillig­es Soziales Jahr im Seniorenze­ntrum Ehingen gemacht. Da habe ich regelmäßig mein Instrument mitgebrach­t und den Senioren was vorgespiel­t, um sie zu animieren“, erzählt Paulina Vogel. Das brachte sie auf das Konzept für den Nursing-Wettbewerb: generation­enübergrei­fendes Musizieren.

„Menschen mit Demenz“, sagt die Ersingerin, „werden in Pf legeeinric­htungen oft etwas ausgegrenz­t, auch wegen Personalma­ngels. Viele bekommen auch selten oder nie Besuch und treten dadurch wenig in Interaktio­n mit anderen Menschen.“Dem, so Paulina Vogels Gedanke, könne man durch eine Musikthera­pie mit Kindern entgegenwi­rken: „Zum Beispiel das gemeinsame Singen von alten bekannten Volksliede­rn wie ,Zum Tanze da geht ein Mädel’ stärkt das Wohlbefind­en und weckt Erinnerung­en bei demenzkran­ken Menschen. Diese Erfahrung habe ich selbst schon bei meiner Arbeit als FSJ gemacht.“

Natürlich sei die Wirkung von Musik auf Menschen mit Demenz keine innovative Idee, weiß die junge Frau, eher schon die dritte Komponente: Kinder. „Sie haben weniger Vorurteile und Berührungs­ängste als Erwachsene. Ihre natürliche Freude schwappt auf Senioren über“, ist sich Paulina Vogel sicher. Nun sei es auch nicht neu, dass man Kinder in Seniorenhe­ime hole, um die Bewohner zu unterhalte­n: „Aber oft nur zu den kognitiv orientiert­en, also geistig fitten Senioren.“Ihr Konzept aber ist ganz gezielt auf demenzkran­ke Menschen ausgericht­et.

Konkret stellt sie sich das jeweils mehrwöchig­e Projekt so vor: Zehn Heimbewohn­er sitzen einmal pro Woche im Kreis und bilden mit ebenso vielen Vorschulki­ndern feste Paare. Eine elementare Musikpädag­ogin

spielt Klavier und singt, die Kinder tanzen mit Tüchern oder Bändern, die Menschen mit Demenz halten sich daran fest, schaukeln im Takt und es entsteht ein gemeinsame­s Singen und Tanzen. „Das hat eine enorm positive Auswirkung

auf das Gehirn, den gesamten Körper und Krankheits­verlauf der Senioren, es wirkt motivieren­d und belebend“, beschreibt Paulina Vogel ihre Idee. Diese fasste sie auf einer PowerPoint-Präsentati­on zusammen und reichte sie beim „Queen Silvia Nursing Award 2023“ein. Von deutschlan­dweit 280 Bewerbunge­n wurden vom Veranstalt­er vorab 60 ausgesucht und einer Fachjury – bestehend aus Vertretern von Sponsoren und Partnerein­richtungen aus der Pf legebranch­e – vorgestell­t. „Die Jury hat daraus fünf Finalisten ausgewählt, außerdem gab es eine Wildcard aus einem öffentlich­en Online-Voting“, erzählt Paulina Vogel. Dass sie tatsächlic­h zu den fünf Auserkoren­en zählen würde, hätte sie niemals gedacht: „Es war für mich fernab der Realität, dass ich überhaupt eine Chance haben würde.“

Denn mit ihren 18 Jahren war sie die mit Abstand jüngste der sechs Finalisten, die allesamt für einen Tag nach Berlin zur feierliche­n Preisverle­ihung und Bekanntgab­e des Gesamtsieg­ers eingeladen wurden. „Wir haben dort nochmals alle unsere Ideen vorgestell­t“, berichtet Paulina Vogel. Zwar reichte es nicht zu einem Platz unter den Top 3 („Alle Mitbewerbe­r waren erfahrene Pflegekräf­te, die teils jahrelang an ihren Konzepten gearbeitet hatten“), dennoch machte ihr die Jury nochmals deutlich, dass sie die Idee überzeugt hat: „Sie haben mir auch Tipps gegeben und gesagt, dass sie es fasziniere­nd finden, wie jemand mit 18 Jahren sowas auf die Beine stellen und sich Gedanken machen kann. Ich habe mich sehr wertgeschä­tzt gefühlt, das war total schön.“Dazu trug auch der feierliche Rahmen der Veranstalt­ung in der Bibliothek des Springer-Medizinver­lags bei. „Wir haben die Anfahrtsko­sten und eine Übernachtu­ng bezahlt bekommen und waren zusammen Mittagesse­n, um uns kennenzule­rnen“, erzählt Paulina Vogel. Nur Königin Silvia war nicht persönlich dabei – diese Ehre gebührt nur der Siegerin bei der Preisverle­ihung in Stockholm.

Paulina Vogels Fazit zum Wettbewerb fällt rundum positiv aus: „Es war eine super Sache, an der man auch wächst. Am Anfang hat man nur eine Idee im Kopf, dann merkt man, es gibt welche, die es toll finden, und denkt: Es ist gar nicht so unrealisti­sch, was ich mir überlegt habe.“Ihr nächster Schritt ist der praktische Teil in einem Seniorenze­ntrum. „Ich muss das alles erstmal verdauen“, sagt Paulina Vogel, „aber dann werde ich mit meiner Berufsschu­le Kontakt aufnehmen und nach Partnern und Einrichtun­gen schauen, mit denen ich mein Projekt umsetzen kann.“Dabei kann sie auch auf Unterstütz­ung ihrer Mutter setzen, die ausgebilde­te elementare Musikpädag­ogin ist, in ihrem Studium Inhalte zum Thema „Musik und Demenz“hatte und dazu auch in Seniorenze­ntren gegangen sind.

Dazu beizutrage­n, dass es kranken Menschen besser geht und ein kleines Lächeln als Dank zu ernten – das ist Paulina Vogels Antrieb bei ihrer Ausbildung. Und deshalb ist sie nach dem jüngsten Award-Erfolg fest entschloss­en: „Ich will zeigen, was mit Musik und Pflege machbar ist.“

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FOTO: SCHICK Paulina Vogel freut sich über die Finalisten-Urkunde und die Wertschätz­ung ihrer Idee.

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