Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Gut vorbereitet gelingt der Umstieg aufs Rad
Angesichts hoher Benzinpreise überlegt so mancher, den Arbeitsweg künftig ohne Auto zu bewältigen – Tipps für angehende Fahrradpendler
Viele tun es seit Jahren, andere liebäugeln erst angesichts der hohen Benzinpreise damit: mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Aber wie gelingt der Einstieg? Eins vorab: Ein „Ganz oder gar nicht“-Denken darf man gerne abstreifen. Es muss nicht sofort der komplette Umstieg aufs Fahrrad sein, sagt Tim Böhme, Referent für Trainerausbildung beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR). Schon wer zwei- oder dreimal in der Woche zur Arbeit radelt, spart Benzin – und tut ganz nebenbei seiner Gesundheit und Fitness etwas Gutes. Tipps, wie der Anfang gelingt:
Der Trainingszustand: Schaffe ich als untrainierter Mensch einen Arbeitsweg von zehn Kilometern überhaupt auf dem Fahrrad? Diesen Zweifel kann Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln, ausräumen. „Jeder, der eine halbe Stunde gehen kann, kann auch eine halbe Stunde Radfahren“, sagt er. So lange dauert es ungefähr, bis man zehn Kilometer auf dem Rad geschafft hat. Für den Anfang plant man besser eine Dreiviertelstunde ein, so der Sportwissenschaftler. Apropos Zeitplanung: Um pünktlich am Arbeitsplatz aufzukreuzen, sollte man die sogenannte Rüstzeit nicht vergessen, rät Tim Böhme. Denn während nach der Autofahrt die Parkplatzsuche wartet, endet eine Radfahrt damit, das Gefährt anzuketten, sich frisch zu machen oder gar zu duschen. Auch dafür will Zeit einkalkuliert sein.
Die Strecke: Eine Radtour beginnt mit einer guten Planung, der Arbeitsweg auf zwei Rädern ebenso. „Kann ich mit meinem Rad komfortabel den Arbeitsweg meistern? Diese Frage sollte man sich vorab stellen“, sagt Tim Böhme. Dabei geht es auch um die jeweiligen Eigenheiten der Strecke. Am Morgen und am Nachmittag wird es nämlich auch auf vielen Radwegen voll. Der kürzeste Weg zum Ziel muss nicht unbedingt der beste sein. Wartet auf halber Strecke ein steiler Berg, gibt es vielleicht auch eine angenehmere Route – auch wenn diese etwas länger ist.
Das Fahrrad: Um Beschwerden wie Schmerzen beim Radfahren zu vermeiden, sollte das Fahrrad an den eigenen Körper angepasst werden. Da ist zum Beispiel der Lenker: „Die Griffe sollten ergonomisch sein, daStand mit der Druck, der auf Handgelenken, Armen und Schultern lastet, gut abgefangen werden kann“, sagt Ingo Froböse. Auch die Maße des Lenkers sind wichtig: Ist er zu breit, muss man mehr Kraft als nötig aufwenden. Ist er hingegen zu schmal, hat man das Rad nicht gut unter Kontrolle. das Rad eine Weile unbenutzt im Keller, gibt man es am besten erst mal zur Inspektion in die Werkstatt, rät Froböse. Denn viele Materialien werden mit der Zeit porös – etwa das Gummi der Reifen. Das kann gefährlich werden, ebenso wie defektes Licht oder abgenutzte Bremsbeläge.
Aber auch das Material des Sattels ermüdet mit der Zeit, sodass dieser dann vielleicht nicht mehr zum eigenen Po passt.
Der Fahrstil: „Ruhig einsteigen“, rät Sportwissenschaftler Ingo Froböse hier. „Wenn man nicht außer Atem gerät, macht man es richtig.“Die Empfehlung: Das Radfahren als Ausdauereinheit verstehen, nicht als Krafteinheit. Denn: Wenn viel Muskelkraft zum Einsatz kommt, bedeutet das viel Druck auf die Gelenke. Und die müssen sich an die neue Belastung erst einmal gewöhnen. Was bedeutet das konkret? Lieber einen Gang herunterschalten – wortwörtlich. Optimal ist laut Ingo Froböse eine Tretfrequenz von 60 bis 80 Umdrehungen pro Minute. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, hilft nur eines: mitzählen.
Das Outfit: Nicht jeder hat Lust, sich allein für den Arbeitsweg in eine Radhose oder das Funktionsshirt zu werfen. Es lohnt aber, sich vorab Gedanken über die passende Kleidung zu machen: „In Stretch-Klamotten ist man viel beweglicher“, sagt Tim Böhme vom BDR. Deutlich nerviger sind steife Jacken, die sich beim Radeln im Rücken hochziehen. „Viele machen den Fehler, sich zu warm anzuziehen“, so Ingo Froböse. Denn: Beim Radfahren wärmt sich der Körper auf – weshalb man sich oft eine Schicht Kleidung sparen kann. „Wenn man die ersten fünf Minuten auf dem Rad leicht fröstelt, ist das überhaupt nicht schlimm.“Im Zweifel packt man ein zweites Paar Schuhe für den Arbeitsplatz in die Tasche. Und: ein T-Shirt zum Wechseln kann Gold wert sein, sollte man doch etwas verschwitzter ankommen.
Die Motivation: Auch wenn die Benzinpreise den Umstieg aufs Fahrrad derzeit erleichtern: Womöglich schwindet die Motivation nach einer Weile wieder. Fahrradexperte Tim Böhme rät dann, sich die Vorteile des Fahrradfahrens ganz konkret vor Augen zu führen. Will man etwa ein paar Kilos verlieren, kann der Kalorienverbrauch beim Radfahren ein Anreiz sein. Auf einer halbstündigen Tour lassen sich durchaus 400 Kalorien verbrennen. Ganz abgesehen davon tut Radfahren dem Körper auf vielen Ebenen gut, sagt Ingo Froböse. Nicht nur Durchblutung, Immunsystem und geistige Leistungsfähigkeit verbessern sich. Auch die Ausdauer wird besser: „Nach vier Wochen kann man schon mit positiven Effekten rechnen.“