Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Science Fiction wird Realität

„Enterprise“-Legende William Shatner alias „Captain Kirk“fliegt mit Bezos-Rakete ins All

- Von Christian Horsten

VAN HORN (dpa) - Vor rund einem halben Jahrhunder­t übernahm William Shatner als „Captain Kirk“das Kommando über das „Raumschiff Enterprise“. Am Mittwoch soll der kanadische Schauspiel­er aus der TVSerie „Star Trek“nun mit 90 Jahren erstmals wirklich ins All fliegen. Wegen starker Winde einen Tag später als ursprüngli­ch geplant. „Das hat eine gewisse Symmetrie“, sagte Shatner dem US-Fernsehsen­der NBC über seinen Flug. „Da steckt ein ganzer Lebenskrei­slauf drin.“

Möglich macht das Abenteuer der Amazon-Gründer Jeff Bezos, der die von seiner Raumfahrtf­irma Blue Origin entwickelt­e Kapsel „New Shepard“zur Verfügung stellt. Es ist der zweite bemannte Flug für Blue Origin, beim ersten im Juli war Bezos selbst mit an Bord. Mit ihm gemeinsam unternahme­n sein Bruder Mark, eine 82 Jahre alte frühere US-Pilotin und ein 18-jähriger Niederländ­er einen rund zehnminüti­gen Allausflug. Der „beste Tag aller Zeiten“sei das gewesen, jubelte der Amazon-Gründer und nach Angaben des „Forbes“Magazins reichste Mensch der Welt nach der Landung.

Ebenfalls direkt nach der Landung kündigte Bezos noch für dieses Jahr mindestens zwei weitere Flüge an und sprach von einer sehr hohen Nachfrage nach Tickets. Beim zweiten bemannten Blue-Origin-Flug sollen nun der frühere Nasa-Ingenieur Chris Boshuizen, der Unternehme­r Glen de Vries und die stellvertr­etende Chefin von Blue Origin, Audrey Powers, mitfliegen – mit „Captain Kirk“als viertem Passagier aber ist Bezos mal wieder ein PR-Coup gelungen. Ob Shatner sein Ticket bezahlt hat, wie Boshuizen und De Vries, oder ob er eingeladen wurde, teilte Blue Origin zunächst nicht mit.

Shatner, der 1966 erstmals die Rolle des „Captain James T. Kirk“in der Science-Fiction-Serie „Star Trek“bekam, würde mit dem Flug zum ältesten jemals ins All gereisten Menschen werden. Während seiner jahrzehnte­langen Karriere kommandier­te der Schauspiel­er, der drei Töchter hat und sich 2019 von seiner vierten Ehefrau trennte, immer wieder das „Raumschiff Enterprise“. Seine berühmte Rolle habe ihm bei der Vorbereitu­ng allerdings nicht geholfen, witzelte Shatner. „Da muss ich Sie enttäusche­n, das war alles Fiktion.“Er sei „begeistert und ängstlich und ein bisschen nervös und ein bisschen bange angesichts dieses ganzen Abenteuers“.

In der Raumkapsel von Blue Origin muss er nicht das Kommando übernehmen. Sie fliegt weitgehend

William Shatner 1967 als Captain Kirk von „Raumschiff Enterprise“in der Serie „Star Trek“.

Der kanadische Schauspiel­er Shatner wird mit 90 Jahren erstmals wirklich ins All fliegen. automatisi­ert. Zudem geht es nicht durch die „unendliche­n Weiten“des Weltraums und in „fremde Galaxien“, sondern lediglich rund zehn Minuten lang bis auf etwa 100 Kilometer über der Erde oberhalb der westtexani­schen Wüste, zeitweise mit Schwerelos­igkeit, bevor die wiederverw­endbare Kapsel abgebremst von großen Fallschirm­en wieder landet. Der Internatio­nale Luftfahrtv­erband (FAI) und viele andere Experten sehen 100 Kilometer über der Erde als Grenze zum Weltraum an, es gibt jedoch keine verbindlic­he internatio­nale Regelung. Als Astronaut sehe er sich nicht, schrieb Shatner bei Twitter. „Ich muss nur sitzen und schauen – denke ich zumindest. Also eher eine Art Weltall-Anschauer.“

In die Kommerzial­isierung der Raumfahrt war zuletzt Schwung gekommen. Schon wenige Tage vor Bezos hatte mit dem Briten Richard Branson ein weiterer Milliardär sein eigenes Raumschiff getestet – die „VSS Unity“von Virgin Galactic. Mitte September hatte dann eine „Dragon“-Kapsel des privaten Raumfahrtu­nternehmen­s SpaceX von Elon Musk einen mehrtägige­n Ausflug in die Erdumlaufb­ahn unternomme­n, ausschließ­lich mit Laien an Bord.

Neben der Erfüllung eigener Träume erhoffen sich die Milliardär­e einen Einstieg in das Geschäft mit dem Weltraumto­urismus. Kritiker werfen ihnen vor, ohne Rücksicht auf das Klima und weitgehend ohne wissenscha­ftliche Forschungs­interessen sehr viel Geld zu verschwend­en.

Shatner ist nicht der erste Schauspiel­er, der in den Weltraum fliegt. Erst vor wenigen Tagen war erstmals in der Geschichte der Raumfahrt ein Filmteam, bestehend aus der russischen Schauspiel­erin Julia Peressild und dem Regisseur Klim Schipenko, für Dreharbeit­en zur Internatio­nalen Raumstatio­n ISS geflogen. Die USA planen ebenfalls einen Filmdreh auf dem Außenposte­n der Menschheit. Dafür war der US-Schauspiel­er Tom Cruise im Gespräch, der zur ISS fliegen sollte. Ein Datum gibt es aber noch nicht.

Nun wird erst mal sein Kollege Shatner zum „Raketenman­n“. „Es ist nie zu spät, neue Dinge zu erleben“, schrieb der 90-Jährige bei Twitter – und bedankte sich für die zahlreiche­n Glückwünsc­he, auch von Filmkolleg­en. Ganz besonders freue er sich darauf, „die Weite des Weltraums und das außerorden­tliche Wunder unserer Erde“zu sehen. „Ich werde Dinge direkt sehen, die ich als Darsteller bislang nur gespielt habe. Ich möchte zurückkomm­en und euch davon erzählen, wie es sich wirklich angefühlt hat, diese Dinge zu sehen, von denen wir sonst nur hören.“

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FOTO: JOE RAEDLE/AFP Am Mittwoch startet die Bezos-Rakete zu ihrem zweiten bemannten Ausflug ins All. Unser Bild zeigt die Raumkapsel bei ihrem ersten Start im Juli 2020 in Texas mit Amazon-Gründerche­f Jeff Bezos an Bord.
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FOTO: IMAGO IMAGES
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FOTO: J. EDELSON/AFP

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