Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Laschet und die Demut

- R.waldvogel@schwaebisc­he.de

Etwas mehr Demut habe Ellen Demuth von Armin Laschet eingeforde­rt. So formuliert­e pointenbew­usst ein SWR-Reporter am Montag nach der Wahl. In der Tat hatte die rheinland-pfälzische Landtagsab­geordnete einen demütigen Kniefall des geschlagen­en CDUKandida­ten gefordert: „Armin Laschet, Sie haben verloren! (…) Wenden Sie weiteren Schaden von der Union ab und treten Sie zurück!“

Demut war ein Schlagwort der letzten Tage, in den Medien sowie in den Statements der Verlierer und der Sieger. Eine kleine Nachlese: Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier empfahl seiner Partei nun eine Portion Demut. Niedersach­sens CDU-Chef Bernd Althusmann erklärte ebenso wie der sächsische CDU-Generalsek­retär Alexander Dierks, man müsse jetzt in Demut den Wählerwill­en annehmen. MdB Michael Hennrich von der SüdwestCDU vermisste Demut beim Auftreten Laschets am Wahlabend. Die bayerische Spitzenkan­didatin der Grünen, Claudia Roth, wiederum ließ sich mit dem ihr eigenen Entrüstung­spotenzial vernehmen, jetzt noch aus der Niederlage einen Wählerauft­rag abzuleiten, zeige einen Mangel an Demut. Und der Betroffene selbst? Der nahm das Wort seit Sonntagabe­nd offiziell nicht in den Mund. Aber das ZDF kramte ein altes „Berlin Direkt“-Interview mit Laschet vom Mai heraus. Da hatte er noch vollmundig erklärt, in dieser entscheidu­ngsreichen Zeit gehöre es zur Demut, dass man Fehler auch eingestehe. Wohl wahr.

Demut – ein interessan­tes Wort! In ihm stecken die althochdeu­tschen Wörter dionon (dienen) und muot, was in diesem Fall gleichbede­utend ist mit Sinn, Gemütszust­and, Geist, Geisteshal­tung. So stand diemuoti bei den frühen Christen des Mittelalte­rs für eine dienende, bescheiden­e Haltung gegenüber dem Schöpfergo­tt. Aber muot war ein sehr vielschich­tiger Begriff. Wenn wir heute von Mut im Sinn von Tapferkeit reden, so klingen darin seine anderen Bedeutungs­schichten an: Wille, Erregbarke­it, Wut. Auf diesem komplexen Hintergrun­d versteht man, warum sich im Lauf der Jahrhunder­te aus diesem Grundwort muot so viele zusammenge­setzte Substantiv­e mit unterschie­dlichen Akzentuier­ungen entwickeln konnte.

Damit sind wir zudem bei einem bemerkensw­erten Phänomen: Der Hochmut ist männlich, die Anmut ist weiblich, was man natürlich – bei aller Vorsicht – mit bestimmten Grundeigen­schaften erklären könnte, die von alters her den Geschlecht­ern zugemessen wurden. Hochmut, Heldenmut, Übermut, Wagemut, Missmut, Unmut und Wankelmut galten wohl als typisch extroverti­erte Regungen, die eher beim Mann verortet wurden. Anmut, Sanftmut, Wehmut, Schwermut, Langmut und Demut waren dagegen die introverti­erten Affekte, die man eher als typisch weiblich ansah. Dass solche Definition­en heute geschlecht­erübergrei­fend ins Rutschen gekommen sind, versteht sich. Wer wollte Frauen absprechen, Heldenmut zeigen zu können! Oder wer den Männern nicht zutrauen, dass sie zur Demut fähig sind! Laschet scheint allerdings noch nicht so weit zu sein.

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Ein Wort fehlt übrigens noch: Wermut. Aber der Name dieser Pflanze hat wohl nichts mit muot zu tun. Wie schon die Brüder Grimm feststellt­en, liegt der Ursprung „im Dunkeln“. Nur eines ist sicher: Man macht daraus einen fürchterli­ch bitteren Tee, aber der ist heilsam – man muss ihn nur runterschl­ucken. Auch Niederlage­n sind fürchterli­ch bitter, aber auch sie sind heilsam – man muss sie nur runterschl­ucken.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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Rolf Waldvogel

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