Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Die Union hat das Haus in der Mitte ohne Not abgefackel­t“

Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, über das Impfen, Markus Söder und den Wandel von CDU und CSU

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Wenn man sich dem Wähler für die überregion­ale Wahl verweigert, wählt er eben etwas anderes, auch radikale Parteien, was wir verhindern könnten. Wenn man meint, dass es andere Parteien in Land und Bund besser machen als die eigenen Leute, ist das doch paradox.

Sie würden in Berlin am liebsten mitregiere­n. Wer käme denn als Koalitions­partner für Sie infrage?

Die Parteien der Mitte: Union, SPD und FDP. Da sehen wir die größten Schnittmen­gen. Mit den linken Ideologen, die auf Berliner Ebene für die Grünen sprechen, wird es nichts. Kretschman­n ist eher ein Pragmatike­r und Realist. Die Linke und die AfD schließen wir auch aus.

Einen Kanzler Scholz würden Sie also wählen?

Mit Olaf Scholz könnte man wohl zusammenar­beiten, er ist noch das geringere Übel der SPD. Seine zweite Reihe ist gerade im Urlaub, da richten sie keinen Schaden an. Aber die kommen zurück, wenn Papa Scholz das Kanzleramt erobert hat, und ruinieren anschließe­nd das Haus. Ich sehe den Scholz als Stimmenfän­ger – hinterher kommen die Ideologen.

Sie legen sich offen mit Markus Söder an. Mal angenommen, der Einzug in den Bundestag klappt nicht. Ist die bayerische Landesregi­erung dann am Ende?

Bei Weitem nicht. Das Verhältnis zwischen mir und Markus Söder sieht nach außen schlechter aus als es in der Tagesarbei­t bei vielen Themen ist. Es liegt doch in der Natur der Sache, dass wir Unstimmigk­eiten haben. Sonst wären wir ja in der gleichen Partei. Aber ich bin nicht sein Plakatiert­rupp und auch nicht sein einfacher Mehrheitsb­eschaffer. Natürlich gibt es Meinungsve­rschiedenh­eiten, aber die bringen uns auch oft voran. Bei der Corona-Politik haben wir uns jetzt zum Beispiel durchgeset­zt. Die CSU wollte 2G, wir Freien Wähler wollten, dass die Tests weiterhin neben Geimpft und Genesen eingesetzt werden. Und so ist es jetzt. Diese Scharmütze­l sind normal, auch innerhalb einer Regierung.

Freuen Sie sich heimlich über jeden Fehler, den Laschet macht, weil Sie davon ausgehen, dass dann wieder ein paar frustriert­e Unionswähl­er zu den Freien Wählern überlaufen?

Ich kann mit der jetzigen Konstellat­ion sehr gut leben. Ich biete an, dass wir als Freie Wähler in der politische­n Mitte retten, was zu retten ist. Die Union hat das Haus in der Mitte ohne Not abgefackel­t und seit Jahren bürgerlich­e Themen zugunsten des grünen Mainstream­s aufgegeben und damit den linken und rechten Rand gestärkt. Hätte sich die Union frühzeitig konstrukti­v geeinigt, hätte sie das Kanzleramt in der Tasche gehabt. Ich sehe die Gefahr, dass wir wegen der Uneinigkei­t der Union am Ende eine rot-rot-grüne Regierung haben. Wenn die Freien Wähler in den Bundestag kommen, ist eine solche Koalition nicht mehr möglich. Und auch eine Regierungs­beteiligun­g der Grünen im Bund ist dann sehr unwahrsche­inlich.

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