Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Im neuen Job ankommen
Arbeitgeber nehmen das Thema Onboarding unterschiedlich wichtig – Neulinge sind aber auch selbst gefragt
Wer ist mein Ansprechpartner? Wie komme ich an den Server? Und was sind eigentlich meine Aufgaben? Zum Start in einen neuen Job stellen sich einem etliche Fragen. In manchen Unternehmen werden die in einem strukturierten Onboarding-Prozess beantwortet – in anderen wiederum weiß man auch am dritten Tag noch nicht, mit welchem Passwort man sich eigentlich am PC anmelden soll.
Wenn man sich aber als Neuling nicht gut aufgenommen fühlt, kann das schnell zu Frust führen, weiß der Wirtschaftspsychologe Klaus Moser. Enttäuschte Erwartungen und Rückzugsverhalten bis hin zu Fluktuation seien klassische Reaktionen. Aber auch verlangsamte Lernprozesse, Leistungsprobleme und Zynismus können aufkommen. Was macht aber ein gutes Onboarding aus?
Für die Personalberaterin Anke Baron beginnt der Prozess des „AnBord-Nehmens“spätestens mit dem Vorstellungsgespräch: „Unternehmen sollten klarmachen: Was ist der Sinn der Stelle und der Tätigkeit? Warum gibt es das Unternehmen? Und welchen Beitrag kann der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg leisten?“Das sei ein wichtiger Faktor für die spätere Bindung.
Klappt es mit Zusage und Vertragsunterzeichnung, sollte bis zum Arbeitsantritt keine Funkstille herrschen. Im sogenannten Preboarding sei wertschätzender, persönlicher Kontakt wichtig, sagt Baron. Dazu gehöre die Einarbeitungsplanung, erste Zielsetzungen und eine stringente Kommunikation. Aber auch kleine Gesten könnten helfen: etwa eine Einladung zum virtuellen Teammeeting, oder ein kurzes Video vorab, in dem sich das Team kurz vorstellt.
Wie wichtig diese Phase ist, zeigt eine 2019 veröffentlichte Studie des Wirtschaftsverlags Haufe unter über 600 Personalverantwortlichen: 30 Prozent der befragten Unternehmen berichteten von Kündigungen. Am ersten Tag sollte nicht nur die technische Ausstattung funktionieren und ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Es sollte auch klar sein, wer Ansprechpartner ist. „Onboarding ist eine gemeinschaftliche Aufgabe – aber wichtig ist, dass es eine Person in der Hand hat“, sagt Baron.
Noch ist das nicht bei allen Unternehmen der Fall: Der Haufe-Umfrage zufolge gibt es in jedem fünften Unternehmen niemanden, der den Onboarding-Prozess konzipiert und vorantreibt.
Anke Baron, Personalberaterin
Das Onboarding muss dabei nicht unbedingt Führungsaufgabe sein, betont Psychologe Moser. Führungskräfte könnten zwar auf die Ziele des Onboarding-Prozesses „einzahlen“: „Aber auch andere können hier beteiligt werden oder spezielle Aufgaben übernehmen.“Etwa Ausbilder, Personalreferenten oder Teammitglieder.
Nicht zuletzt sei erfolgreiches Onboarding auch Aufgabe des Neulings selbst, sagt Baron. Kandidaten sollten sich aktiv Feedback holen – bei Führungskräften und Kollegen. Darüber könne man dann einschätzen, ob Kommunikation und Verhalten angemessen und förderlich sind. „Die eigene Entwicklung ausschließlich in fremde Hände zu legen, halte ich für fahrlässig“, betont sie.
Ob Orientierungsprogramm, Patensysteme oder Mentoring: Es gebe nicht die eine Maßnahme, die immer passe, meint Moser. „Die Begeisterung für Mentoring, die in vielen Unternehmen zu finden ist, lässt sich beispielsweise kaum noch nachvollziehen.“Die Effekte seien nach neueren Studien „sehr bescheiden“.
Für Personalberaterin Baron ist die Frage nach gutem Onboarding auch eher eine Frage der Unternehmenskultur: „Das ist ein MindsetThema.“Für viele Neulinge sei es wichtig, auf einer persönlichen Ebene anzukommen und Selbstwirksamkeit zu erfahren.
Vermieden werden sollte hingegen frühe Über- oder Unterforderung – etwa mithilfe regelmäßiger Feedbackgespräche. Die führen der Haufe-Studie zufolge jedoch nur etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen. Und nur 22 Prozent der befragten Unternehmen arbeiten mit Zielvereinbarungen in der Probezeit.
Es gibt also etliche Herausforderungen beim Start neuer Mitarbeiter – und dann kommt auch noch eine Pandemie hinzu. Viele Teams sind im Homeoffice oder kaum im Büro anwesend – wie kann da die Einarbeitung gelingen?
Moser empfiehlt, mindestens einmal pro Woche reale Treffen anzusetzen. „Die inzwischen umfangreiche Forschung zu sogenannten virtuellen Teams zeigt, dass komplette Virtualität schlecht für alle Beteiligten ist.“
Für viele sei auch der informelle Austausch mit Führungskräften wichtig – dabei gehe es nicht nur um inhaltliche Fragen, sondern auch um Wertschätzung als Individuum. Führungskräfte müssten solche beiläufigen Prozesse neu lernen und erkennen, „dass es keine gute Idee ist, schlecht erreichbar zu sein und sich hinter vermeintlich sachlichen EMails zu verstecken.“
In der Praxis habe sich inzwischen gezeigt, dass sich viele Themen auch mit Videokonferenzen und virtuellen Methoden bearbeiten lassen, erzählt Personalberaterin Anke Baron. Dafür reichten schon relativ einfache technische Lösungen, wie etwa Microsoft Teams oder Zoom. „Aber natürlich kann man das im Vergleich zu echten Treffen nie eins zu eins abbilden“, gibt Baron zu bedenken. (dpa)
Klaus Moser, Wirtschaftspsychologe
„Onboarding ist eine gemeinschaftliche Aufgabe – aber wichtig ist, dass es eine Person in der Hand hat.“
„Die inzwischen umfangreiche Forschung zu sogenannten virtuellen Teams zeigt, dass komplette Virtualität schlecht für alle Beteiligten ist.“