Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Es hakt nicht nur an der Spitze
Gymnasiallehrer sehen Schuld für Bildungsprobleme auch bei den Grünen
RAVENSBURG - Opposition und Elternvertreter erneuern nach der Veröffentlichung einer Umfrage ihre scharfe Kritik an der baden-württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Die repräsentative Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Regionalzeitungen in BadenWürttemberg bescheinigt der grünschwarzen Landesregierung zwar eine gute Corona-Krisenarbeit – Eisenmann jedoch stellten die Befragten ein schlechtes Zeugnis aus.
Vor allem Südwest-SPD-Generalsekretär Sascha Binder nutzte die Ergebnisse des „BaWü-Checks“für eine scharfe Attacke: „Die Bildungspolitik von Frau Eisenmann war schon vor Corona eine Katastrophe. Doch in der Krise zeigt sich besonders, wer einem Amt gewachsen ist – oder eben nicht“, sagte Binder der „Schwäbischen Zeitung“. Dass der Umfrage zufolge zwei Drittel der Bürger mit der Bildungspolitik im Land nicht zufrieden seien, sei ein „verheerendes Zeugnis“. Die CDUSpitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021 kümmere sich mehr um den Wahlkampf als um die Schulen und Kitas im Land, kritisiert Binder.
Für FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ist das schlechte Zeugnis für die Schulpolitik „nicht überraschend“– auch wenn Rülke einräumt, die Kultusministerin habe zweifellos eine „schwere Aufgabe zu meistern“. Als Ursache der Unzufriedenheit der Eltern sieht Rülke „erhebliche Organisationsund Kommunikationsfehler“Eisenmanns nach einem gleichwohl „beherzten Krisenmanagement zu Beginn der Pandemie“. Kurzfristig verhängte Verordnungen wie die zur Kita-Öffnung haben die Betroffenen verunsichert und verärgert, so Rülke. In den für die Bewältigung der Krise wichtigen Fragen wie Digitalisierung und Lehrerversorgung sei Eisenmann „beratungsresistent“.
Diesbezüglich zeigen sich die Eltern skeptisch.
Laut „BaWü-Check“haben
45 Prozent von ihnen den Eindruck, der Lehrermangel habe sich verschärft. Zudem glauben 70 Prozent nicht, dass die Lehrkräfte ausreichend für digitalen Unterricht ausgebildet sind.
Rainer Balzer, bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, fordert daher ein „detailliertes und verbindliches Digitalisierungskonzept der Landesregierung“. Die unterschiedliche Einschätzung der Eltern zum Homeschooling
zeige „eine große Bandbreite an Kompetenzen bei den Lehrkräften“. 42 Prozent der Befragten sagen, der Fernunterricht in der ersten Corona-Hochphase habe funktioniert, 44 Prozent stimmen dem nicht zu. „Hier müssen verbindliche Standards sowohl für den Unterricht als auch für die Kompetenzen der Lehrer festgeschrieben werden“, so Balzer.
Für Michael Mittelstaedt, den Vorstand des Landeselternbeirats, kommen die Ergebnisse nicht unerwartet: „Wir fragen uns mittlerweile, was die Kultusministerin überhaupt macht. Für den Landeselternbeirat war sie zuletzt eigentlich nicht erreichbar. Ein konstruktives, wertschätzendes Gespräch hat es in den vergangenen sechs Monaten nicht gegeben.“Mittelstaedt sieht „gewaltige strukturelle Probleme“von den Schulträgern bis ganz nach oben ins Ministerium. „Natürlich kann die Kultusministerin nicht alle Probleme selbst lösen. Aber sie müsste die Fahne schwenken und vorauslaufen. Das tut sie nicht. Und genau das kreiden wir ihr an“, sagt der
Elternvertreter. „Vor allem haben wir seit Jahren erheblichen Lehrermangel.“
Das Kultusministerium wollte die Ergebnisse der Umfrage nicht kommentieren. Die CDU-Fraktion gibt ihrer Spitzenkandidatin für den kommenden Landtagswahlkampf Rückendeckung. „Schulpolitik ist immer ein hochumstrittenes, auch hochemotionales Thema. Da bekommt man schnell auch mal eine schlechte Note. Susanne Eisenmann hat zudem ein schweres Erbe angetreten. Das betrifft insbesondere die Unterrichts- und die Lehrerversorgung“, sagt Karl-Wilhelm Röhm, der bildungspolitische Sprecher der CDU – ein Seitenhieb auf Eisenmanss Vorgänger im Amt, SPD-Landeschef Andreas Stoch.
Ralf Scholl, Landeschef des Philologenverbandes, sieht die Verantwortung für das schlechte Abschneiden der Schulpolitik ebenfalls nicht nur bei Eisenmann. „Die Kritik an der Kultusministerin halte ich für überzogen“, sagt Scholl. „Sie ist Teil einer Landesregierung, zu der auch die Grünen gehören: Es gehört zur Wahrheit, dass die grüne Finanzministerin
Sitzmann kein zusätzliches Geld für Schulen bereitstellt und Gesundheitsminister Lucha keine weiteren kostenlosen Corona-Tests für Lehrer mehr bewilligt.“Der Vizechef des Lehrerverbandes VBE, Michael Gomolzig, verteidigte Eisenmann ebenfalls: „Mit der Schule ist es wie beim Fußballspiel. Jeder weiß, welchen Fehler der Trainer gemacht hat, und würde es selber viel besser machen. Sachzwänge verhindern aber oft den eigenen guten Willen.“
Dem grünen Koalitionspartner zufolge zeigten die Ergebnisse der Allensbach-Umfrage „nochmals deutlich, wie unterschiedlich Schulen in der Hochphase von Corona Unterricht gestaltet haben“, so deren bildungspolitische Sprecherin Sandra Boser. „Es oblag dem Engagement und der Kreativität der Lehrerinnen und Lehrer, in welchem Maß Unterricht und Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern erfolgte.“Nun müsse guter Fernunterricht kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Details zur Umfrage unter www.schwäbische.de/schulebw