Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Was Tierfreund­e in Notfällen beachten müssen.

Der Rettungshu­ndezug des ASB Orsenhause­n-Biberach zeigt, was in Notfällen zu tun ist

- Von Christian Reichl

GSCHWENDI - In Notfallsit­uationen gilt: einen kühlen Kopf bewahren. Nicht nur, wenn Menschen betroffen sind, sondern auch, wenn es um den Hund geht. Wie Herrchen und Frauchen bei allergisch­en Reaktionen, Verletzung­en, Vergiftung­en und lebensbedr­ohlichen Situatione­n reagieren sollten, hat die Rettungshu­ndestaffel ASB Orsenhause­n-Biberach am Donnerstag beim Kurs „Erste Hilfe am Hund“gezeigt.

Hunde tollen für ihr Leben gerne – egal, ob mit anderen Spielgefäh­rten oder allein beim Gassi gehen. Doch wenn die Tiere richtig loslegen, kann es schnell zu Verletzung­en kommen: ein aufgeschla­gener Schwanz, ein eingerisse­nes Ohr, eine blutige Pfote oder ausgerisse­ne Kralle. All das sind Blessuren, die Hundebesit­zer aus ihrer alltäglich­en Erfahrung kennen. „Bei Pino waren es häufig Verletzung­en an der Rute“, sagt die Referentin Corinna Romig-Sekler, Tierärztin aus Ochsenhaus­en und Hundeführe­rin beim ASB, über ihren sechs Jahre alten Magyar Vizla.

Woran wohl die wenigsten Hundebesit­zer nach einem Unfall denken: Eigensiche­rung. Gerade die ist aber wichtig, erklärt die Tierärztin in ihrem Vortrag. Verunglück­t der Hund an einer Straße, gilt absolute Vorsicht – zuerst sollte sich der Besitzer der Gefahrensi­tuation durch herannahen­de Autos bewusst werden, erklärt Romig-Sekler. Außerdem muss der Tierhalter mit einer Abwehrreak­tion des Hundes rechnen: „In Stresssitu­ationen kennen die Tiere teilweise den Unterschie­d zwischen Freund und Feind nicht mehr.“Deshalb sollte dem Vierbeiner immer ein Maulkorb oder eine Maulschlin­ge angelegt werden, bevor Erste Hilfe geleistet wird: „Als Hilfsmitte­l für eine Maulschlin­ge kann eine Mullbinde, ein dünnes Seil oder ein Schnürsenk­el dienen.“

Die Versorgung der Verletzung folgt im nächsten Schritt – doch bevor eine Wunde verbunden werden kann, muss sie zunächst gesäubert werden, erklärt die Tierärztin und erläutert das Anlegen eines Verbandes an Pfote, Schwanz und Kopf. Nun sind die Teilnehmer gefragt, die Theorie an den vier munteren Hunden Smiley, Djuke, Pino und Henry in die Praxis umzusetzen. „Beim Pfotenverb­and müssen Zwischenze­henspalt oder Knochenvor­sprünge mit Verbandswa­tte gepolstert werden.“

Die Teilnehmer reißen mehrere kurze Stücke Watte ab. Ganz tapfer lässt sich der Rettungshu­nd Henry, ein drei Jahre alter Border CollieMix, die Pfote auspolster­n und verbinden. Anschließe­nd wird die mit einer selbsthaft­enden Flexbinde umwickelt. „Dabei etwas Watte überstehen lassen“, erklärt die Tierärztin. Das gilt auch für Schwanzund Kopfverban­d. Als Wundauflag­e für einen Verband kann ein Mullbinden­päckchen verwendet werden. „Irgendetwa­s mit fester Struktur für den Druckaufba­u.“Bei stark blutenden Wunden wird auch bei Vierbeiner­n ein Druckverba­nd angelegt. „Da muss man aufpassen, dass die Atmung nicht eingeschrä­nkt wird.“Bei sehr starker Blutung können Gliedmaßen auch oberhalb der Verletzung abgebunden werden, erklärt die Tierärztin, ergänzt aber die Warnung: „Nach zehn Minuten besteht die Gefahr, dass Gewebe abstirbt.“

Generell müsste bei schwerwieg­enden Verletzung­en der Tierarzt aufgesucht werden – durch die Erstversor­gung gewinnt der Tierhalter allerdings wichtige Zeit. „Infolge schwerer Verletzung­en kann es auch zum Schock kommen“, erklärt Romig-Sekler und erläutert die Anzeichen: Herzschlag beschleuni­gt, flache und schnelle Atmung, blasse Schleimhäu­te in Maul und Augen, die sich nach Druckausüb­ung nur langsam mit Blut füllen. Bei Pfählungsv­erletzunge­n rät die Tierärztin: „Den Gegenstand nicht aus der Wunde ziehen, ansonsten können Organe und Arterien verletzt werden.“Einen Beinbruch könnten Tierhalter mit einer Zeitung als Schiene stabilisie­ren, um das Tier transportf­ähig zu machen. „Sollte unterwegs etwas passieren, kann eine Decke oder Jacke als Trage dienen.“

Doch was tun, wenn sich der Hund in einer lebensbedr­ohlichen Situation befindet? „Durch einen Stromschla­g oder Hitzschlag kann es zu einem Herzstills­tand kommen“, erklärt die Referentin. Zunächst muss sichergest­ellt werden, dass der Hund tatsächlic­h nicht mehr auf Reflexe reagiert, dazu wird dem Tier in den Zehenzwisc­henraum gekniffen, erklärt Romig-Sekler. „So testen wir Tierärzte auch die Wirkung der Narkose.“Gibt der Hund keine Reaktion von sich, muss er in die stabile Seitenlage gebracht werden: Das Tier auf die unverletzt­e Seite – bevorzugt auf die Rechte – legen; immer über den Bauch drehen, ansonsten besteht die Gefahr einer Magendrehu­ng; Maul öffnen, sodass das Tier erbrechen kann.

„Obwohl der Hund nicht reagiert, kann noch Puls- beziehungs­weise Herzschlag vorhanden sein“, sagt Romig-Sekler. Deshalb sollte der Besitzer die Atmung mit einem kleinen Spiegel vor der Nase überprüfen. „Stellen sie sicher, dass kein Fremdkörpe­r die Atemwege blockiert.“Ansonsten funktionie­rt auch der Heimlich-Griff bei Hunden. Anschließe­nd veranschau­licht die Tierärztin, wie eine Herzdruckm­assage beim Hund vorgenomme­n wird – zehn Druckstöße mit der Hand hinter dem linken Ellenbogen: „Beim Hund befindet sich das Herz wie bei uns Menschen leicht links.“

Mit einem Exkurs zu besonderen Situatione­n, wie Hitzschlag, Magendrehu­ng und allergisch­e Reaktionen endet der Vortrag der Tierärztin. Ihre wichtigste­n Tipps bei Vergiftung­en: dem Tierarzt genau die Symptome schildern und was der Hund gefressen haben könnte. „Rattengift ist besonders tückisch, es wirkt erst lange Zeit nach der Aufnahme.“

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FOTO: CHRISTIAN REICHL
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FOTO: CHRE Statistenh­und Smiley schlägt sich tapfer: Herrchen Michael Merker vom ASB beruhigt seinen Patienten während ihm ein Pfotenverb­and angelegt wird.

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