Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Neonazi-Treffen am Bodensee
Rechtsextreme waren auf Grundstück des Vorsitzenden der Synagogengemeinde
GKONSTANZ - Immer mehr Spuren der verhafteten mutmaßlichen Rechtsterroristen der „Gruppe S.“führen an den Bodensee - genauer nach Konstanz. Auf einem Hof in der Ortschaft Wallhausen trifft sich seit etwa zwei Jahren eine Sektion der rechtsextremen Gruppierung „Wodans Erben Germanien“(W.E.G) ausgerechnet auf dem Grund eines jüdischen Eigentümers. Zwei der Verhafteten waren Mitglieder der Wodan-Jünger.
Der Hof, auf dem sich „Wodans Erben“häufig getroffen haben, passt nicht richtig in die bürgerliche Wohngegend. Alles wirkt ein wenig heruntergekommen, Schrott liegt auf dem Grundstück verteilt. Mehrere Gänse watscheln über das Gelände, Ziegen und Pferde tummeln sich auf dem Rasen. Die Mitglieder der W.E.G. nennen ihren Treffpunkt „Gnadenhof“, gut möglich, dass er auch als solcher dient.
Mehrere Fotos belegen aber: Hier gab es Treffen der W.E.G. Dabei gehört das Gelände nach SZ-Informationen ausgerechnet Benjamin Nissenbaum, Vorsitzender der Synagogengemeinde Konstanz und Sohn des Holocaust-Überlebenden Shimon Nissenbaum.
In einer ersten Stellungnahme teilte die Familie mit, dass man alles daran setze, den Sachverhalt so schnell wie möglich aufzuklären. „Schon allein aufgrund unserer Familiengeschichte dulden wir keine Rechtsextremisten“, heißt es weiter. Mit den entsprechenden Behörden sei man in Kontakt.
Vor dem Hof steht am Dienstag ein Smart, geschmückt mit Eisernem Kreuz. Das Kennzeichen endet auf -88. Die Zahl steht in rechtsextremen Kreisen für den 8. Buchstaben des Alphabets und somit für „Heil Hitler“. Der bayerische Verfassungsschutz attestiert „Wodans Erben“im ersten Halbjahresbericht 2018 eine „grundsätzliche Affinität zur Gewalt“. Auch in Baden-Württemberg haben die Behörden ein Auge auf die Organisation geworfen. In einer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Stuttgarter Landtag werden die W.E.G. als rechtsextremistisch eingestuft.
Bei zwei der Mitglieder, so viel scheint jetzt klar, handelt es sich um mutmaßliche Terroristen. Dem „Südkurier“zufolge bestätigte der Konstanzer W.E.G.-Anführer Thomas Lohr, dass zwei seiner Kameraden verhaftet wurden.
Lohr will aber nichts von deren Umtrieben gewusst haben. Er weist darauf hin, dass beide aus Bayern und nicht aus Baden-Württemberg kämen. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind Werner S. und Frank H. gemeint. H. wurde Ende vergangener Woche an seinem Wohnort in München verhaftet. Wie die „Süddeutsche Zeitung“berichtet, gilt er als führendes Mitglied der „Erben Wodans" in Bayern.
Werner S., der Anführer der mutmaßlichen Terrorzelle „Gruppe S.“, lebt in der Nähe von Augsburg. Über ein inzwischen deaktiviertes Facebook-Profil hatte er Kontakt zu W.E.G. und zu Thomas Lohr aufgenommen und um Aufnahme ersucht. Entsprechende Screenshots liegen der „Schwäbischen Zeitung“vor.
Die Wodan-Jünger zeigen sich sehr aktiv in den sozialen Medien. Mehrfach täglich posten die Betreiber
der W.E.G-Facebookseite Bilder und Sprüche, die von Medienkritik über patriotische Aufrufe bis hin zu Bezügen zum Nationalsozialismus reichen.
Am 16. Februar etwa wurde das Bild einer Uhr gepostet, die das Emblem der „Erben“zeigt und den Spruch „Klagt nicht, kämpft“in Frakturschrift. Der Spruch ist zwar nicht verboten, wird allerdings mit den Fallschirmjägern der Wehrmacht in Verbindung gebracht und in rechtsextremen Kreisen häufig verwendet. Auch auf Instagram teilt die Gruppe martialische Bilder. Ein „Erbe Wodans“mit Baseballschläger und der Beschriftung „Mitleid ist aus“zeugt von der Gewaltbereitschaft der Gruppe.
Thomas Lohr selbst scheint Administrator der Facebook-Seite zu sein, zumindest schreibt er Beiträge unter seinem Namen. In BadenWürttemberg machten die W.E.G bislang vor allem durch von der Polizei verhinderte Patrouillengänge, bei denen sie sich als Bürgerwehr gerieren, oder durch die Teilnahme an Fackelmärschen auf sich aufmerksam. In Bayern griffen die „Erben“allerdings schon zu drastischeren Mitteln. Im Februar 2019 drangen etwa 20 Mitglieder der Gruppe in ein Asylbewerberheim in Moosach bei München ein.
Für öffentliche Bestürzung sorgte ein Fackelmarsch der Wodan-Jünger am 23. Februar 2019 auf die Tribüne des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg. Der bayerische Verfassungsschutz urteilte damals, solche Aktionen hätte eine „neue Qualität“.