Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ein Stück Ortsgeschichte verschwindet
Alte Schulgebäude in Mietingen weichen neuem Rathaus.
GMIETINGEN - Ganze Arbeit hat der Abrissbagger in Mietingens Zentrum geleistet. In nur wenigen Tagen waren die Gebäude, die dem Rathausneubau Platz machen sollen, dem Erdboden gleichgemacht. Damit verschwinden auch wichtige Zeugnisse der Mietinger Ortsgeschichte.
Beherrschendes Gebäude war das alte Schulhaus aus dem Jahr 1951. Bis vor einigen Jahren diente es seinem Zweck. Im unteren Stock hatte der Musikverein viele Jahre sein Probelokal. Vorübergehend war aber auch provisorisch eine Kindergartengruppe untergebracht. Zuletzt erhielten ehemalige Schulsäle eine Neubestimmung als Gymnastikräume und Unterrichtsstätte für Deutschkurse der Flüchtlinge. Im Erdgeschoss hatte der Kreis Klassenzimmer in Wohnungen für Flüchtlingsfamilien umgewandelt, die dann von der Gemeinde übernommen wurden.
Auf sehr viel mehr Lebensjahre hatte es das nebenstehende „alte Schulhaus“dann gebracht. Es stammte aus dem Jahr 1842 und wurde 1912 erweitert und umgebaut. Die Bezeichnungen für das Bauwerk sagen etwas über seine Funktionen im Lauf der Zeit: Außer „altes Schulhaus“nannte man es Lehrerhaus und Doktorhaus. Vier Lehrerwohnungen waren hier vor langer Zeit untergebracht. Später eröffnete ein Arzt in einer der Wohnungen seine Praxis. Zuletzt diente das Gebäude direkt an der Kirchstraße als Unterkunft für Obdachlose und Flüchtlinge.
117 000 D-Mark hat die Gemeinde Mietingen für den Schulhausneubau am Kaplansgässle 1951 aufgebracht. Etwa 140 Schüler besuchten damals die Schule, sie wurden von vier Lehrern in vier Klassen unterrichtet. Markant an diesem Schulhaus war ein naturalistisches Wandbild, das den Lebenskreis mit Geburt, Schule und Erwerb des Lebensunterhalts in der Landwirtschaft darstellte.
180 000 Euro sind im Haushalt veranschlagt für den Abbruch der beiden früheren Schulgebäude und des Hauses Städele. Allerdings sind jetzt mit den Arbeiten umweltgefährdende Materialien zutage getreten, gab Bürgermeister Robert Hochdorfer bei der jüngsten Sitzung des Gemeinderates bekannt. Dazu zählt Schlacke, die als Isoliermittel in den Böden verwendet worden war. Die mit der Entsorgung verbundenen Mehrkosten bezifferte er mit 20 000 Euro.
Keine Wehmut kommt bei Baggerfahrer Peter Schmid auf, der die einstige Lernstätte jetzt klein macht. Er ist selber hier jahrelang ein- und ausgegangen, um das Rüstzeug fürs
Leben zu erwerben. Den Abriss scheint er mit einer gewissen Genugtuung zu erledigen. Auch Peter Schmids Sohn erlernte hier das ABC.
Es sei „gut, dass das Gebäude abgerissen wird“, sagt Arthur Berg, „ich bin nicht so gerne zur Schule gegangen.“Erinnerungen kommen bei ihm hoch an „ordentliche Dresche“, die er vom Lehrer bekam, „das hat dann für den Rest des Lebens gereicht“. Bis in den hintersten Winkel im Kohlenkeller sei er dafür vom Lehrer verfolgt worden. Grund für die Prügelstrafe: er hatte einige Mädchen in der Klasse gefoppt. Es steigen bei Berg auch Bilder auf von der Schulspeisung in der Kriegs- und Nachkriegszeit, wo er seinen Hunger stillen konnte. Er denkt beim alten Schulhaus an die öffentlichen Wannenbäder
im Untergeschoss und die Musikproben im Klassenzimmer.
Bei Josef Stallbaumer kommen Erinnerungen an einzelne Lehrerinnen und Lehrer – die Namen hat er auch noch nach Jahrzehnten abrufbar bereit, etwa von Fräulein Benedikta Kittel.
„Ich habe mich wahnsinnig gefreut, wie wir eigezogen sind in die damalige neue Schule. Jetzt hatten wir Sonne, helle Räume, viel Platz, eine gewisse Weite, das hat richtig gutgetan“, sagt Maria Pferdt über ihre Erinnerung an die Schulzeit. Im alten Schulhaus hätten sich immer zwei Klassen einen einzigen Raum teilen müssen, da sei es äußerst beengt zugegangen. „Es waren einfach andere Gefühle im neuen Schulhaus.“