Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Burgfrieden im Handelskonflikt
Kann die deutsche Exportwirtschaft wieder auf bessere Zeiten hoffen?
OSAKA/FRANKFURT (dpa) - Erleichterung, aber keine Euphorie: Eine Eskalation des Handelskrieges zwischen den USA und China ist vorläufig vom Tisch. Wie lange der Burgfrieden hält, ist allerdings ungewiss. Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt hatten am Wochenende am Rande des Gipfels der großen Industrieländer (G20) in Osaka in Japan einen „Waffenstillstand“und neue Verhandlungen zur Beilegung ihres Handelskriegs vereinbart. Die bestehenden Zölle bleiben zwar weiter in Kraft, überraschend hob Trump aber den Bann gegen Chinas Telekomriesen Huawei teilweise auf. Außerdem sicherte der US-Präsident zu, die angedrohte Ausweitung der Strafzölle gegen China vorläufig auszusetzen, was eine Vorbedingung Pekings war. Ökonomen sehen dennoch keinen Grund zur Entwarnung.
„US-Präsident Trump wird in den verbleibenden 18 Monaten seiner Amtszeit global weiter wirtschaftliche Konflikte anzetteln“, befürchtet der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Schon jetzt hinterlassen die ständigen Störfeuer aus Washington Bremsspuren. Das bekommt die exportorientierte deutsche Wirtschaft zu spüren, die jahrelang von der Globalisierung und vom Freihandel profitierte. Aus Sicht von Ökonomen ist vor allem die von Trump durch ständige Drohungen mit Zöllen geschaffene Unsicherheit ein Problem. „Dieser Schaden ist schwerer zu fassen, aber wahrscheinlich deutlich größer als der, der tatsächlich durch Zölle verursacht wird“, argumentiert der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW/Kiel) Gabriel Felbermayr. „Verunsicherte Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, Verbraucher verschieben möglicherweise Anschaffungen.“
Weltwirtschaft an „Wegscheide“Der Welthandel, der im vergangenen Jahr um 4,1 Prozent zulegte, wird nach jüngsten Prognosen der Weltbank 2019 nur noch um 2,6 Prozent wachsen. Das wäre der schwächste Anstieg seit der Finanzkrise. „Die Weltwirtschaft ist an einer Wegscheide“, warnte Weltbank-Präsident David Malpass jüngst. Die Wirtschaftsleistung in China und den USA mache ein Drittel der Weltwirtschaft aus.
Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt zählen zu den wichtigsten Einzelmärkten für Waren „Made in Germany“. Allein im vergangenen Jahr gingen deutsche Produkte im Wert von 113,5 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten, auf Rang drei folgte China mit 93,1 Milliarden Euro.
Die Folgen des Dauerkonflikts sind bereits spürbar. Vor allem exportorientierte deutsche Branchen leiden. „Beim Auslandsgeschäft sind die Erwartungen so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr“, sagte jüngst der Präsident des Deutschen Industrieund Handelskammertages (DIHK), Erik Schweitzer.
Bitter ist der Streit unter anderem für Deutschlands Autoindustrie. In China, früher ein Wachstumsgarant, herrscht seit Monaten Tristesse. Die Autokäufer reagierten zuletzt höchst sensibel auf die Zollstreitigkeiten zwischen den USA und Peking, außerdem wächst die Wirtschaft im Reich der Mitte nicht mehr so rasant wie früher. Auch andere Branchen wie Maschinenbau und Pharma- und Chemieindustrie bekommen die Folgen des Konfliktes und Abkühlung der Weltwirtschaft zu spüren.
Ifo-Chef Clemens Fuest sieht trotz der Einigung von Osaka auch keinen Grund für Euphorie: „Wenn es richtig ist, dass es bei diesem Handelskonflikt nicht nur um Wirtschaft, sondern um geopolitische Rivalität geht, wird der Konflikt weitergehen.
Nach wie vor schwebt zudem das Damoklesschwert von Sonderzöllen auf Auto-Einfuhren aus Europa in die USA über der Branche. Das Weiße Haus hatte Mitte Mai die Entscheidung darüber für ein halbes Jahr aufgeschoben. Die deutschen Hersteller wären davon besonders hart betroffen. Sie haben einen großen Anteil an den EU-Exporten in die USA.