Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Großes Interesse am Grünen Knopf
Warum das Textilsiegel für viele Händler trotzdem eine Herausforderung ist
BERLIN - Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) verschiebt den Start seines neuen Textilsiegels Grüner Knopf auf September. Nach bisheriger Planung sollte es im Juli vorgestellt werden. Das sei aber kein Zeichen des Misserfolgs – im Gegenteil. „Mehrere Dutzend Firmen haben Interesse, beim Start des Grünen Knopfes dabei zu sein – und eine Prüfung beantragt“, sagte Müller der „Schwäbischen Zeitung“. Wegen des großen Andrangs dauert die Vorbereitung länger als angenommen und kann nicht bei der Neonyt-Messe für nachhaltige Mode Anfang dieser Woche stattfinden.
Der Grüne Knopf soll besonders sozial- und umweltverträgliche Kleidungsstücke in Geschäften und Onlineshops auszeichnen. Als Reaktion auf katastrophale Unfälle in Textilfabriken in Pakistan und Bangladesch ist das staatliche Zertifikat ein Anliegen des Ministers, gleichzeitig in der Branche aber umstritten.
Dennoch kann Müller sich mittlerweile über eine gewisse Unterstützung freuen. „Wir halten den Grünen Knopf für sinnvoll, wenn er anspruchsvolle Kriterien erfüllt“, sagte etwa Heike Hess vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN). „Wenn uns Firmen ansprechen, empfehlen wir, sich am Grüne-Knopf-Check zu beteiligen.“ Diese Haltung des Verbandes ist wohl ein Grund für das wachsende Interesse. Mehrere kleine Naturtextil-Firmen wie Dibella und Melawear wollen mitmachen. Interesse haben aber auch große Händler wie Tchibo, Lidl und KiK.
Vier Prüfinstitute, darunter der TÜV Nord, führen augenblicklich Vorgespräche mit Unternehmen. Die Firmen werden demnach auf zwei Ebenen geprüft. „Um das Zertifikat zu erhalten, müssen 26 soziale und ökologische Kriterien für das Produkt erfüllt werden“, erklärte Müller. „Außerdem muss das Unternehmen als Ganzes seine Sorgfaltspflichten anhand von 20 Kriterien nachweisen.“
Auf der Ebene des Unternehmens muss beispielsweise eine Grundsatzerklärung zur Einhaltung der Menschenrechte in der Produktionskette vorliegen. Damit erklärt der Vorstand etwa, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter in den asiatischen Zulieferfabriken freien Gewerkschaften beitreten und über ihren Lohn verhandeln können. Außerdem braucht es eine Risikoanalyse für alle Produktionsschritte, eine Strategie zur Umsetzung sozialer und ökologischer Standards bei den Lieferanten und einen Beschwerdemechanismus, damit die Interessen der Zulieferarbeiter in den deutschen Firmenzentralen Gehör finden.
Auf der Ebene der Produkte, die den Grünen Knopf tragen sollen, müssen die Firmen unter anderem nachweisen, dass es bei den Zulieferern keine Zwangs- und Kinderarbeit gibt, die international festgelegte Maximalarbeitszeit nicht überschritten wird, die Fabrikgebäude gegen Brände und Einsturz gesichert sind und die Beschäftigten den gesetzlichen Mindestlohn des jeweiligen Landes erhalten.
Dieser Punkt ist heikel. Gisela Burckhardt von der Organisation Femnet und der Kampagne für Saubere Kleidung reicht der Mindestlohn als Kriterium nicht: „Mindestens müssten die Firmen existenzsichernde Löhne anstreben und Schritte in diese Richtung unternehmen.“ Denn dieses Lohnniveau liegt höher als die staatlichen festgelegten Mindestlöhne der Produktionsländer, die den Arbeitern oft nicht ermöglichen, ein erträgliches Leben zu führen.
Kein Siegel für chinesische Produkte Andererseits stellt der Grüne Knopf auch mit den bisher geplanten Kriterien eine Herausforderung für viele Textilhändler dar. In China gefertigte Produkte werden das Siegel wohl nicht erhalten dürfen, weil es dort keine Gewerkschaftsfreiheit gibt. Und die Kriterien auf der Ebene der Produkte sollen Firmen anfangs nachweisen, indem sie bereits über andere, anspruchsvolle Sozial- und ÖkoSiegel verfügen – etwa die Zertifikate Gots, IVN Best oder Fairtrade. Der Textildiscounter KiK, dem diese Siegel noch fehlen, kann deshalb wahrscheinlich erst mal nicht mitmachen.
Vorläufig geht es beim Grünen Knopf um die Zertifizierung der letzten beiden Stufen der Textilherstellung – das Färben der Stoffe und das Nähen zum Endprodukt. Später sollen auch weitere Fertigungsschritte bis zum Anbau der Baumwolle einbezogen werden. Das Entwicklungsministerium will das Siegel bei der Deutschen Akkreditierungsstelle und beim Europäischen Patentamt anmelden. Unternehmen weltweit könnten es dann künftig als anerkannten und geschützten Standard verwenden.