Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Post vom Papst lässt Katholiken rätseln
Es kommt nicht oft vor, dass Deutschlands Katholiken Post vom Papst bekommen – laut Thomas Sternberg, dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), ist es sogar eine „Novität“. Doch am Samstag hat sich Franziskus in einem 19-seitigen Brief in überraschender Ausführlichkeit an das „pilgernde Volk Gottes in Deutschland“gewandt. Der Grund: Die katholische Kirche in Deutschland steckt angesichts des Missbrauchsskandals in einer tiefen Krise. Viele wenden sich von der Kirche ab. Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, haben die deutschen Bischöfe Reformen in Aussicht gestellt. Im Fokus stehen dabei der Umgang
der Kirche mit Macht, die Ehelosigkeit von Priestern (Zölibat) und die Weiterentwicklung der katholischen Sexualmoral. Der Papst wählte warnende Worte, ohne auf einzelne Themen der Reformagenda einzugehen.
Franziskus wandte sich zwar nicht grundsätzlich gegen den „synodalen Weg“, den die deutschen Bischöfe zur Reform beschlossen haben. Jedoch ist aus vielen Absätzen seines Schreibens Sorge herauszulesen. Die beste Antwort auf die „vielen Probleme und Mängel“der Kirche liege nicht in einem „Reorganisieren der Dinge, in Veränderungen und in einem „Zurechtflicken““, betonte Franziskus und warnte vor Alleingängen. Schon häufiger hatte er klargemacht, dass ihm die Verkündigung der Botschaft von Jesus Christus wichtiger sei als das Aufstellen von Regeln. So pfiff er die deutschen Bischöfe zurück, als sie 2018 für alle Bistümer festlegen wollten, unter welchen Bedingungen Protestanten mit zur Kommunion gehen dürfen.
Streit über Franziskus’ Worte Durch den Brief sehen sich in Deutschland Reformer und Konservative gleichermaßen bestätigt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, nannte das Schreiben eine „Ermutigung“für den synodalen Weg. Ähnlich urteilte Sternberg, der es eine „eine Ermunterung, eine Aufforderung“nannte. Konservativere Kirchenleute sehen es ganz anders. Der synodale Weg könne nach diesem Schreiben nicht mehr wie geplant stattfinden, erklärte der Regensburger Generalvikar Michael Fuchs. Der Kölner Kardinal Rainer Woelki äußerte sich hocherfreut: „Der Papst spricht mir aus dem Herzen.“
Unabhängige Beobachter äußerten sich differenziert. Der Kirchenkenner Andreas Püttmann („Wie katholisch ist Deutschland“) bezeichnete das Schreiben als kluge theologische Stellungnahme. Franziskus wende sich dagegen, die Reformdebatte auf den Dreiklang „Frauenweihe, Zölibat, Sexualmoral“zu reduzieren. Er warne vor einer oberflächlichen Attitüde des „Wir machen jetzt endlich mal richtig Kirche“. Ähnlich sieht es der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller. Der Papst bringe einerseits Sorge zum Ausdruck, der Reformprozess könne „inhaltlich aus dem Ruder laufen“. Andererseits verbiete Franziskus nicht die Diskussion über Reformthemen.