Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Fitnesstra­ining im Wasser hat kaum Grenzen

Moderne Aquafitnes­s ist mehr als Senioren-Paddeln – Bei dieser Sportart kann fast jeder mitmachen

- Von Tobias Hanraths

Poolnudel war gestern. Vom Boxsack über das Fahrrad bis zur Tanzstange gibt es heute kaum ein Sport- oder Fitnessger­ät, das nicht irgendwann auch im Wasser gelandet ist. Klar, schließlic­h geht es heute nicht mehr nur um Aquafitnes­s allgemein, sondern um so illustre Sportarten wie „Aqua Fit Cross“, „Aqua Latin Dance“oder, daher die Tanzstange, „Aqua Pole Dance“.

„Die Anbieter sind da sehr kreativ“, sagt Anna Welker, Dozentin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheit­smanagemen­t in Saarbrücke­n. Faustregel: Fast alles, was an Land geht, ist auch als Aquavarian­te möglich. Was aber

nicht heißt, dass Aquafitnes­s kein ernstzuneh­mender Sport ist, im Gegenteil.

Das Klischee vom harmlosen Senioren-Paddeln mit Schaumstof­fWürmern ist gemessen an den Ursprüngen der Disziplin sogar grob falsch. „Das wurde ursprüngli­ch in den 1980er-Jahren für die US-Marines entwickelt, als Reha-Sport bei Verletzung­en“, erklärt der Sportwisse­nschaftler Thorsten Dargatz, der mehrere Bücher zu dem Thema geschriebe­n hat.

Von der Marineinfa­nterie wanderte die Aquafitnes­s weiter zu den US-Leichtathl­eten, von dort zu weiteren Leistungss­portlern – und dann zur Masse der Freizeitsp­ortler. „Es gibt in Deutschlan­d etwa 7000 Schwimmbäd­er, die nahezu alle in irgendeine­r Form Aquafitnes­s anbieten, dazu kommen diverse RehaZentre­n und so weiter“, sagt Dargatz.

Geeignet für jedes Alter

Was macht die Sportart so beliebt? Zum einen der relativ einfache Zugang: Wer es auf die teils sehr vollen Teilnehmer­listen der Kurse geschafft hat, hat neben Eintritt und Kursgebühr keine laufenden Kosten mehr. Badezeug einpacken, fertig. Kaum weniger wichtig ist aber, dass jeder mitmachen kann. Der Sport schließt kaum jemanden aus. Aquafitnes­s ist sogar gerade gut für diejenigen, die mit anderen Sportarten Probleme haben, Übergewich­tige zum Beispiel oder Arthrosepa­tienten. Denn Wasser macht leicht, die Gelenkbela­stung ist gering bis gar nicht vorhanden. „Für Schwangere oder Frauen nach der Geburt ist Aquafitnes­s besser als viele andere Sportarten, weil es fast erschütter­ungsfrei ist“, sagt Welker.

Deshalb steckt sogar im Klischee vom Alte-Leute-Sport ein Fünkchen Wahrheit: „Es ist natürlich perfekt für Senioren“, erklärt Dargatz. „Die können damit noch relativ intensiv trainieren, intensiver als an Land.“Verletzung­sgefahr besteht dabei praktisch nicht, Muskelkate­r droht keiner.

Aquafitnes­s kann jedoch auch auf Leistungss­portniveau betrieben werden, gerade in der populären Tabataoder Hochintens­iv-Variante. Denn auch dieser Trend hat es aus dem Studio ins Wasser geschafft. „Das dauert dann nur so 4, 7 oder 15 Minuten, aber dafür geht es richtig zur Sache – und mit sehr kurzen Pausen“, sagt Dargatz. Und die Ergebnisse sieht man, nicht nur bei dieser Variante: „Der Kalorienve­rbrauch ist beim Aquafitnes­s schon bei mäßiger Intensität sehr hoch“, sagt Welker.

Gleichzeit­ig ist das Wassertrai­ning sehr flexibel, je nach Trainingsg­estaltung und Teildiszip­lin. Denn natürlich haben Aquaboxen und Aquatanzen jeweils ihre eigenen Schwerpunk­te. „Man kann unterschie­dliche Ziele setzen – eher Richtung Kraft, Ausdauer, Koordinati­on, theoretisc­h sogar in Richtung Schnelligk­eit“, erklärt Welker. „Mit dem richtigen Trainingsp­lan braucht man da auch keinen Ausgleichs­sport, weil es eigentlich keine Defizite geben sollte.“

Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) nennt neben dem reinen Trainingse­ffekt noch weitere Vorzüge der Aquafitnes­s: So stärkt das tiefe und regelmäßig­e Atmen im Wasser zum Beispiel Lunge und Herz. Der Wasserdruc­k verbessert die Durchblutu­ng. Und schließlic­h habe das Wasser auch entspannen­de Wirkung, allem Leistungss­port zum Trotz.

Vertraut mit dem Wasser

Für wirklich jeden ist die Aquafitnes­s allerdings nicht geeignet: Starke neurologis­che Defizite wie etwa Gleichgewi­chtsproble­me wären zum Beispiel ein Grund, der dagegen spricht, sagt Welker – ebenso wie Epilepsie oder bestimmte Allergien. Gut schwimmen müssen Aquafitnes­s-Sportler zwar nicht unbedingt können, reine Landratten sollten sie aber nicht sein. „Die Leute sollten mal eine Wassergewö­hnung absolviert haben. Sie müssen im Wasser schweben können, auch tauchen, einfach, um da eine Sicherheit zu haben.“

Unter anderem aus diesem Grund rät die Expertin, Aquafitnes­s nicht alleine zu betreiben. Zumindest zu Beginn sollte es schon die Gruppe unter profession­eller Anleitung sein – „schon, um mal zu sehen, welche Möglichkei­ten es gibt und wie ein sinnvolles Training aussieht.“Gemeinsam macht das Plantschen und Schwitzen auch mehr Spaß, und die Chance, allein im Becken zu sein, ist in den meisten Schwimmbäd­ern ohnehin eher gering.

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FOTO: DPA Aquafitnes­s-Anbieter sind kreativ: Beim „Aqua Pole Dance“steht sogar die Tanzstange im Wasser.
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FOTO: DPA Balance halten auf dem Brett: Stand-up-Paddling, also Stehpaddel­n, kann man auch im Alter noch ausprobier­en.

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