Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ambitionsl­os wie die GroKo

- Von Sebastian Heinrich ●» s.heinrich@schwaebisc­he.de

Helmut Schmidt hatte unrecht. Nicht wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen – sondern wer keine hat. Gerade in Zeiten großer Veränderun­g sollte eine Bundesregi­erung eine möglichst klare Vorstellun­g davon haben, wie dieses Land in zehn, 20 Jahren aussehen wird. Wir leben in Zeiten großer Veränderun­g. Aber diese Regierung schraubt nur ein bisschen herum an der Gegenwart. Der Kompromiss zur Grundsteue­r ist das nächste Beispiel für diese Ambitionsl­osigkeit.

Im April 2018 strafte das Bundesverf­assungsger­icht die Regierende­n zum x-ten Mal dafür ab, dass sie einen Missstand nicht beseitigt hatten. Die Grundsteue­r in ihrer bisherigen Form ist ungerecht und deshalb verfassung­swidrig, lautete das Urteil. Seit den 1960er-Jahren hatten, schrieben die Richter weiter, Bundesregi­erungen diese Ungerechti­gkeit zugelassen. Union und SPD hätten ein gutes Jahr Zeit gehabt, um etwas Gutes zu machen aus dieser Ohrfeige aus Karlsruhe. Sie hätten aus der Grund- eine Bodenwerts­teuer machen können, deren Grundlage nicht der Wert der Immobilie ist – sondern nur der des Grundstück­s.

Eine solche Steuer fänden Experten gut, die sich sonst in Wenigem einig sind – vom Mieterbund bis zum Institut der deutschen Wirtschaft. Eine Bodenwerts­teuer würde Städten und Gemeinden die dringend benötigten Einnahmen aus der Grundsteue­r weiter sichern. Sie wäre aber weniger aufwendig als das wertbasier­te Modell der GroKo. Sie würde Mieter wohl entlasten. Eine Bodenwerts­teuer würde außerdem bei einer der am wenigsten gerechten Formen des Geldverdie­nens ansetzen: der Spekulatio­n mit unbebauten Grundstück­en. Und eine solche Steuer würde – anders als die reformiert­e GroKo-Grundsteue­r – nicht ausgerechn­et die Immobilien­besitzer bestrafen, die ihr Erspartes in die Sanierung oder Aufwertung von Haus oder Wohnung stecken.

Von dieser Bundesregi­erung kann man einen solch großen Wurf nicht erwarten. Immerhin: Durch die Öffnungskl­ausel im Gesetz könnten zumindest einzelne Bundesländ­er den Weg zur Bodenwerts­teuer gehen.

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