Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ambitionslos wie die GroKo
Helmut Schmidt hatte unrecht. Nicht wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen – sondern wer keine hat. Gerade in Zeiten großer Veränderung sollte eine Bundesregierung eine möglichst klare Vorstellung davon haben, wie dieses Land in zehn, 20 Jahren aussehen wird. Wir leben in Zeiten großer Veränderung. Aber diese Regierung schraubt nur ein bisschen herum an der Gegenwart. Der Kompromiss zur Grundsteuer ist das nächste Beispiel für diese Ambitionslosigkeit.
Im April 2018 strafte das Bundesverfassungsgericht die Regierenden zum x-ten Mal dafür ab, dass sie einen Missstand nicht beseitigt hatten. Die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form ist ungerecht und deshalb verfassungswidrig, lautete das Urteil. Seit den 1960er-Jahren hatten, schrieben die Richter weiter, Bundesregierungen diese Ungerechtigkeit zugelassen. Union und SPD hätten ein gutes Jahr Zeit gehabt, um etwas Gutes zu machen aus dieser Ohrfeige aus Karlsruhe. Sie hätten aus der Grund- eine Bodenwertsteuer machen können, deren Grundlage nicht der Wert der Immobilie ist – sondern nur der des Grundstücks.
Eine solche Steuer fänden Experten gut, die sich sonst in Wenigem einig sind – vom Mieterbund bis zum Institut der deutschen Wirtschaft. Eine Bodenwertsteuer würde Städten und Gemeinden die dringend benötigten Einnahmen aus der Grundsteuer weiter sichern. Sie wäre aber weniger aufwendig als das wertbasierte Modell der GroKo. Sie würde Mieter wohl entlasten. Eine Bodenwertsteuer würde außerdem bei einer der am wenigsten gerechten Formen des Geldverdienens ansetzen: der Spekulation mit unbebauten Grundstücken. Und eine solche Steuer würde – anders als die reformierte GroKo-Grundsteuer – nicht ausgerechnet die Immobilienbesitzer bestrafen, die ihr Erspartes in die Sanierung oder Aufwertung von Haus oder Wohnung stecken.
Von dieser Bundesregierung kann man einen solch großen Wurf nicht erwarten. Immerhin: Durch die Öffnungsklausel im Gesetz könnten zumindest einzelne Bundesländer den Weg zur Bodenwertsteuer gehen.