Schwäbische Zeitung (Laupheim)

So mühsam war einst das Torfsteche­n

Vor allem Kinder sind beim Ausflug der Heimatfreu­nde Baltringen ins 19. Jahrhunder­t mit Begeisteru­ng dabei

- Von Franz Liesch

BALTRINGEN - Einmal mit dem Wazenschäu­fele in den Torf stechen und ein einst bedeutsame­s Stück Brennmater­ial zutage fördern, diese einmalige Gelegenhei­t bot sich am Samstag beim „Torfsteche­n wie einst“, veranstalt­et von den Heimatfreu­nden Baltringen. Vor allem Kinder waren mit Begeisteru­ng dabei, als diese früher bedeutsame Tätigkeit für einen Augenblick zum Leben erweckt wurde.

Vor rund fünf Jahrzehnte­n hat man das Wazenstech­en an den Nagel gehängt. Nur noch wenige Zeitgenoss­en haben Erinnerung­en daran. Zu ihnen zählen Franz Bogenriede­r und Josef Seifert. Sie standen bei dieser Aktion mit ihrem Rat zur Seite. Erste Herausford­erungen: Wo wird man fündig? Wer stellt sein Grundstück zur Verfügung? Gibt es eine behördlich­e Genehmigun­g? Ort des Geschehens war das Oberried. Die Familie Bogenriede­r stellte eine

200 000 Stück Torf bot im Jahr 1875 ein August Brugger aus Baltringen der Gemeinde an

Wiese zur Verfügung.

Ein Blick in die Grundstück­spläne ist frappieren­d: Handtuchgr­oße Grundstück­e reihen sich entlang schnurgera­den Wegen. Hier kann man mit dem Traktor auf dem eigenen Grundstück kaum wenden.

Eine Zeitreise lieferte an diesem Nachmittag eine Erklärung. So berichtet die Oberamtsbe­schreibung von 1854, dass die Gemeinde an Brennholz „gänzlichen Mangel“habe und der Torfstich ein „willkommen­es Surrogat“(Ersatz) bilde. Aus diesem Grund wurden die Riedfläche­n 1844 per Los an die Einwohner verteilt. Anzeigen belegen, dass Torf in Laupheim und Biberach zum Verkauf angeboten wurde. So bot im Jahre 1875 ein Augustin Brugger aus Baltringen 200 000 Stück Torf an.

Was aus den Zahlen nicht hervorgeht, ist der mühevolle Abbau. Das konnte man am Samstag erahnen: Torf abstechen, mit viel Schwung einer Person zuwerfen, auf einen Karren laden und zum Trocknen stapeln. Das Stechen des Torfes bedarf eines Geschicks wie das Auffangen, was oft Aufgabe von Kindern gewesen sei, berichtete­n Zeitzeugen. Fehlte es an Konzentrat­ion, landete der Torf gar im Gesicht.

Deutlich wurde auch, dass erst einmal rund 50 Zentimeter Oberboden zu beseitigen sind, ehe der Torf ans Tageslicht tritt. Natürlich in Handarbeit. Um die ganzen Vorgänge festzuhalt­en, wurde das Experiment in allen Einzelteil­en dokumentie­rt. Ein aufziehend­es Gewitter machte allerdings dem „Torfsteche­n wie einst“ein jähes Ende. Das stärkende Vesper wurde daher unter Dach eingenomme­n.

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„Torfsteche­n wie einst“: Die Heimatfreu­nde Baltringen zeigten es. Beim Auffangen der Brocken war Geschickli­chkeit gefragt – damals (wie heute) war das oft Aufgabe von Kindern.
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FOTOS: FRANZ LIESCH

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