Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Das Wurzelwerk der Grünen wächst
Ökopartei bläst zum Sturm auf Kommunalparlamente – Zuspruch auf dem Land nimmt zu
STUTTGART - Während des Landtagswahlkampfs 2016 hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann seine Grünen zur „neuen Baden-Württemberg-Partei“erklärt – eine Provokation für die CDU, die fast sechs Jahrzehnte die Geschicke im Südwesten lenkte. Tatsächlich erlebt die Ökopartei seit Längerem einen Aufschwung. Vor allem auf dem Land tut sich einiges. Die Ambitionen zur Kommunalwahl Ende Mai sind entsprechend groß.
„Sie finden uns sehr optimistisch und selbstbewusst“, sagt die GrüneVorsitzende Sandra Detzer am Montag in der Stuttgarter Parteizentrale. Mit ihrem Co-Vorsitzenden Oliver Hildenbrand stellt sie die Kampagne zur Kommunalwahl vor. Die Grünen setzen auf ein Heimatgefühl: Schutz der Umwelt, der Wesenskern der Partei, wird dafür mit dem Wörtchen „Zuhause“verknüpft.
Immer mehr Mitglieder
Die Grünen scheinen für ein Lebensgefühl zu stehen, das viele Menschen anspricht. Seit der Kommunalwahl 2014 ist die Zahl der Grünen-Mitglieder um fast 2000 auf 11 351 gewachsen. „Insbesondere im letzten halben Jahr hat das Wachstum noch einmal kräftig angezogen“, erklärt eine Sprecherin. „Unsere neuen Mitglieder sagen uns, dass sie sich mit uns für Klimaschutz und eine offene Gesellschaft engagieren wollen.“
Auch die anderen Parteien außer der CDU haben seit der Kommunalwahl 2014 Mitglieder gewonnen: die SPD etwa 1500, die FDP 1000. Das Besondere an den Grünen: Keine andere Partei ist so jung und weiblich. 40 Prozent der Mitglieder sind Frauen – bei FDP und CDU ist dies jedes vierte Mitglied, bei der SPD jedes dritte. Der Altersschnitt bei den Grünen liegt bei 50 Jahren. Nur die FDP kann mit 52 Jahren fast mithalten. Bei der SPD ist das Durchschnittsmitglied 59, bei der CDU 60 Jahre alt. Die AfD äußerte sich auf Anfrage nicht zur Mitgliederentwicklung und zum Alter und Geschlecht der Basis.
Der Zuspruch mache sich auch beim lokalen Engagement bemerkbar, sagt Parteichef Hildenbrand. „Die Kandidatensuche fällt uns leichter.“In den großen Städten gebe es keine Probleme, Menschen zu finden, die für Gemeinde- oder Kreistage kandidieren. In kleineren Gemeinden sei es nach wie vor schwieriger, so eine Sprecherin. Doch auch hier tut sich etwas.
Es sind neue Ortsverbände entstanden, unter anderem in Isny (Kreis Ravensburg). Wie viele hinzukamen, kann die Partei nicht sagen. Die Grünen werden aber bei den Wahlen am 26. Mai versuchen, in mehr Gemeinderäten und Kreistagen Fuß zu fassen. 2014 stellten sie landesweit 360 Kandidatenlisten auf – dieses Jahr sind es 400. Eine Besonderheit: Nur 260 tragen den Namen Bündnis 90/Die Grünen. Die anderen sind grün-alternative Liste. Organisatorisch spielt das keine Rolle doch solche alternative Listen betonen die Individualität und Offenheit für Nicht-Mitglieder. Auch hier verändert sich etwa: Vier Ortsvereine bekennen sich nun zum Parteinamen – darunter Weingarten und Bad Waldsee (Kreis Ravensburg).
„Wir sind als Ortsverband aktiver geworden“, nennt die Bad Waldseer Grünen-Sprecherin Corinna Kreidler als Grund. „Wir haben im letzten Jahr eine Identität geschaffen. Wir waren nicht sicher, ob das funktionieren würde.“Das hat es wohl, die Kandidatenliste für den Gemeinderat ist mit 25 von 26 besetzten Plätzen fast voll. Auch wenn die Liste nun den Parteinamen trägt: Der Ortsverband bleibt offen für Nicht-Mitglieder. Sie stellen zwei Drittel der Kandidaten.
2000 Mandate sollen es werden
Dass die Bad Waldseer Grünen mehr Mitglieder gewinnen konnten, erklärt Kreidler mit den großen politischen Zusammenhängen. „Wir werden wahrgenommen als diejenigen, die die wichtigen Themen besetzen.“Das liege auch am Spitzenpersonal im Bund, an Robert Habeck und Annalena Baerbock, die einen Zeitgeist verträten. „In den sehr konservativen Strukturen Oberschwabens hat das länger gedauert“, sagt Kreidler. Die CDU sei indes aufgebraucht.
Die Parteivorsitzenden Detzer und Hildenbrand wissen, wie wichtig Nicht-Mitgliedern für die Grünen sind. „Wir sind die Partei der Sympathisanten“, sagt Detzer. Das zeige die Landtagswahl 2016, ergänzt Hildenbrand. 1,6 Millionen Baden-Württemberger haben damals die Grünen gewählt – bei 9000 Mitgliedern. Dass die CDU mit 62 000 Mitgliedern eine ungleich breitere Basis hat, die auch Mitgliedsbeiträge zahlt, sei zweitrangig, so Hildenbrand: „Unsere Stärke ist, dass wir breiter ausstrahlen als in die Parteimitgliedschaft.“Das soll sich auch bei der Kommunalwahl bemerkbar machen. Das Ziel: Die 1600 Mandate in Gemeinderäten und Kreistagen sollen auf 2000 wachsen.