Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Doping für die Massen
Es beleidigt den Intellekt, wenn trotz massiver, wiederholter Dopingfunde die These vom verwirrten Einzeltäter aufgestellt wird, wie es Austrias Skinordisch-Chef Markus Gandler und der allmächtige ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel am Mittwoch taten. Als italienische Ermittler bei Olympia 2006 erfolgreich die ÖSV-Quartiere nach Blutbeuteln durchkämmten, waren beide bereits im Amt und mittendrin im Geschehen. Keine Frage: Die Österreicher haben ein Glaubwürdigkeitsproblem, aber nicht nur sie: Der komplette Ausdauer-Wintersport, Langläufer und Biathleten, steht längst ebenso unter DopingGeneralverdacht wie Radfahrer oder Langstreckenläufer.
EPO-Doping sei verführerisch und alternativlos, um vorne mitzuhalten, sagte Österreichs Langläufer Johannes Dürr gerade in einer aufsehenerregenden Beichte. Andere aber scheinen es zu schaffen: Die Norwegerin Therese Johaug wurde gerade ein Jahr nach ihrer Dopingsperre Doppel-Weltmeisterin, die 30-Jährige scheint ungedopt noch stärker zu sein als gedopt. Wer’s glaubt wird selig.
Es ist kein Zufall, dass die Quelle des Seefeld-Skandals ausgerechnet der Ex-Teamarzt des verseuchten Gerolsteiner-Radrennstalls ist – auch in Dopingkreisen ist Berufserfahrung von Vorteil. Stimmt es, dass der Erfurter Mark Schmidt seit zehn Jahren ein ähnlich großes Blutlabor wie der Spanier Eufemiano Fuentes unterhält, dürften bald noch viel mehr Nationen, Sportarten und Athleten ins kriminelle Zwielicht geraten – auch deutsche, die gestern so entsetzt taten, als glaubten sie noch an den Weihnachtsmann. Dabei weiß ein jedes Kind: Doping ist längst ein Massenphänomen.
j.schattmann@schwaebische.de