Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Urteil nach tödlichem Kangal-Biss bestätigt
Tierhalter war in Berufung gegangen und bleibt uneinsichtig
SIGMARINGEN/HECHINGEN - Die Hoffnung der beiden Angeklagten im Kangal-Prozess auf eine mildere Strafe hat das Landgericht Hechingen nicht erfüllt: Im Berufungsprozess sind am Mittwoch die Urteile gefallen. Beide Strafen bleiben bestehen. Die angeklagte Hundehalterin ist zu einem Jahr und sechs Monaten und ihr Ex-Mann zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht hat die Bewährungszeit für den Ehemann um ein Jahr erhöht. Außerdem wurde das Hundehalteverbot erweitert: Die beiden dürfen in Zukunft weder Hunde halten noch betreuen. Ende Mai 2017 hatte ein großer Hund der Rasse Kangal eine 72-jährige Passantin im Ortsteil Frohnstetten bei Stetten am kalten Markt angefallen und tödlich verletzt.
Zur Urteilsverkündung kam auch der Ehemann des Opfers als Nebenkläger. Zur „Schwäbischen Zeitung“sagte er: „Für mich ist schlimm, dass das Ganze noch mal aufgerollt wurde“, sagte er.
Die Verlängerung der Bewährungszeit begründete das Gericht mit der mangelnden Einsicht des ExManns der Hundehalterin und einigen Vorstrafen, die im Laufe der Verhandlung zutage gefördert wurden. Richter Volker Schwarz erläuterte in seiner Urteilsverkündung das gesamte Geschehen dieses „tragischen Falls“. Die Forderungen der Verteidigung erkenne die Kammer nicht als berechtigt an. „Im Laufe der Verhandlung hat sich bei beiden Angeklagten ein Bild von Personen abgezeichnet, die weder ihr Leben im Griff haben noch Verantwortung übernehmen können“, sagte er. Nach murmelnden Unmutsäußerungen des Angeklagten wies ihn der Richter zurecht. Der Angeklagte habe seine Uneinsichtigkeit im Verlauf des Verfahrens oft genug gezeigt. Weiter erläuterte er, dass sich die Angeklagten über den Zaun und das Halsband hätten Gedanken machen sollen.
Über den 46-Jährigen liegen seit 1995 insgesamt acht Eintragungen im Strafregister vor, unter anderem wegen Tierquälerei, Unterschlagung, Urkundenfälschung und fahrlässiger Körperverletzung. Bereits im Jahr 1995 hatte er ein Tierhalteverbot von mehreren Jahren bekommen, da er den Familienhund zusammen mit einer Katze in einem Zimmer eingesperrt hatte und daraufhin verhungern ließ.
Richter Schwarz lehnte den Antrag der Verteidigung nach einem erneuten Gutachten des Halsbands im neuwertigen Zustand ab. Selbst mit einem neuwertigen Halsband wäre laut Schwarz eine Rekonstruktion des Falls nicht möglich gewesen. Die beiden Verteidiger plädierten trotzdem auf Freispruch. Dass das Halsband reiße, sei für beide nicht voraussehbar gewesen und es sei auch nicht sicher, ob ein neues Halsband gehalten hätte. Außerdem gebe es keinen vergleichbaren Fall, in dem ein Kangal eine Person totgebissen habe. Auch das Bellen an der Kette sei laut der Sachverständigen ein normales Verhalten und könne noch nicht gleich als aggressiv eingestuft werden. Die Bemühungen, einen geeigneten Zaun zu errichten, seien vorhanden gewesen und die Tiere an einer Kette alleine im Garten zu lassen, wäre nicht verboten. Für die Angeklagte war es laut dem Verteidiger ein nicht vorhersehbares, schreckliches Ereignis gewesen. Jedoch würden im Straßenverkehr mehr Menschen wegen Fahrlässigkeit sterben, als durch ein Tier.
Der Unterschied zu einem Unfall sei der, so der Richter in der Urteilsbegründung, dass die Menschen bei einem Unfall plötzlich aus dem Leben gerissen werden. „Das Opfer musste aber mehrere Minuten mit dem Tod ringen und hat sehr wohl mitbekommen, dass sie gerade von einem Hund zerfleischt wird.“
Nach der Urteilsverkündung sagte der Verteidiger des Angeklagten, dass sie mit Sicherheit erneut Berufung einlegen würden.