Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Show in Hanoi, Showdown in Washington
Trump verhandelt mit Nordkoreas Kim – Ex-Anwalt belastet den US-Präsidenten schwer
WASHINGTON/HANOI (dpa/AFP) Dass es daheim in Washington kritisch für ihn würde, wenn er in Vietnam ist, wusste Donald Trump bereits vor seiner Reise. In Hanoi will der US-Präsident Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un bei einem Gipfel zur atomaren Abrüstung drängen. Nach einem Vieraugengespräch und einem gemeinsamen Abendessen am Mittwoch stehen heute die tiefer gehenden Gespräche zum Thema Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel an. Trump meint, dass er dafür den Friedensnobelpreis verdienen würde. Tausende Kilometer entfernt in Washington zeichnete sein Ex-Anwalt Michael Cohen am Mittwoch ein anderes Bild. Vor dem Kongress sagte er über Trump: „Er ist ein Rassist. Er ist ein Hochstapler. Er ist ein Betrüger.“
Cohens Anhörung vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses wurde landesweit live übertragen. Die pikanten Aussagen kamen prompt. Der 52-Jährige beschuldigte Trump etwa, 2016 vorab von den Wikileaks-Veröffentlichungen zum Schaden seiner früheren Wahlkampfrivalin Hillary Clinton gewusst zu haben. Auch soll Trump noch nach Einzug ins Weiße Haus in mutmaßlich illegale Bemühungen zur Verschleierung einer Schweigegeldzahlung an eine frühere Sexualpartnerin verwickelt gewesen sein.
Trump versuchte von Hanoi aus, die Glaubwürdigkeit seines langjährigen Mitarbeiters zu erschüttern: Cohen lüge, „um seine Zeit im Gefängnis zu verringern“, schrieb er bei Twitter. De facto war Cohen im Dezember zu drei Jahren Haft wegen Steuer- und Finanzdelikten und früherer Falschaussagen gegenüber dem Kongress verurteilt worden.
TOKIO/SEOUL - Inzwischen liegt der erste „Deal“auf dem Tisch. Vor dem Gipfel zwischen Donald Trump und Kim Jong-un lockt der US-Präsident Nordkoreas Führer mit einem regelrechten Wirtschaftswunder. „Das Potenzial ist FANTASTISCH, eine großartige Gelegenheit für meinen Freund Kim Jong-un“, ließ Trump auf Twitter wissen.
Am Abend, um 18.30 Uhr Ortszeit, trafen sich beide Staatsmänner zum informellen Gipfelauftakt im Nobelhotel Metropole in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi. Auffällig dabei waren vor allem die angespannten und ernsten Mienen der beiden Protagonisten. Trump äußerte zum Auftakt die Erwartung, dass die Gespräche „sehr erfolgreich“verlaufen werden. Kim zeigte sich überzeugt, dass es diesmal ein zufriedenstellendes Resultat geben werde. Ob die beiden den Koreakrieg von 1950-53 formell beenden werden, fragte ein Reporter. Trump wich aus: „Wir werden sehen.“
Turteln als Strategie?
Mehr als die geplanten 20 Minuten lang sprachen Kim und Trump anschließend mit Dolmetschern unter vier Augen. Danach wurde zum gemeinsamen Dinner aufgetischt. Schauplatz war die im französischen Kolonialstil erbaute Herberge, wo unter anderen Charlie Chaplin seine Flitterwochen verbrachte. Diesmal war das Metropole martialisch abgeriegelt, in der Umgebung postierte der vietnamesische Gastgeber sogar Panzerfahrzeuge und schwer bewaffnete Armee. Die Leibgarde von Kim zeigte demonstrativ offen ihre Waffen.
Der Terminplan und die Tagesordnung für den zweiten Gipfeltag am Donnerstag wurden unter Verschluss gehalten. Vor ihrem Treffen überhäufen sich Trump und Kim mit Komplimenten und Schmeicheleien. Der Diktator preist dabei nimmermüde die Weisheit seines mehr als doppelt so alten Konterparts. Im Gegenzug zeigt Trump gern Kims Lobesbriefe herum. Die „Washington Post“vergleicht dieses Verhalten sogar schon mit einem „verknallten Teenager“.
Manche Mitglieder der amerikanischen Delegation bezweifeln, dass dieses Turteln zum Erfolg führt. Trump laufe Gefahr, den Konflikt durch eine „rosarote Brille“zu betrachten und damit nordkoreanische Konzessionen zu verhindern. Statt knallharte Forderungen zu stellen, weicht der US-Präsident allen Fragen nach seinen konkreten Gipfelzielen aus und ignoriert die Warnungen seiner Geheimdienstexperten wie CIA-Direktorin Gina Haspel. Vor dem Kongress machte diese noch einmal klar: „Das Regime ist entschlossen, eine Langstreckenrakete zu entwickeln, die eine direkte Bedrohung der USA darstellen würde.“Ob sich Nordkorea an ein früheres Angebot hält, seinen wichtigen Nuklearkomplex Yongbyon zu schließen und Inspektoren ins Land zu lassen, ist fraglich. Wie verbindlich könnte dieser signifikante Abrüstungsschritt auf dem Hanoi-Gipfel fixiert werden? Wie hoch wäre der Preis, den Kim Jong-un dafür fordert? Bisher verlangt Pjöngjang „korrespondierende“Gegenleistungen. Damit könnte eine Sicherheits- und Existenzgarantie für das Kim-Regime gemeint sein, aber auch die Lockerung der schmerzhaften Sanktionen.
Amerikanische Quellen deuten an, dass Trump seine Einwände gegen die Wiederöffnung des 2016 aus Protest gegen die Atombomben- und Raketentests Nordkoreas geschlossenen interkoreanischen Industrieparks Kaesong fallen lassen könnte. Geplant ist außerdem der Ausbau einer landesweiten Eisenbahnstrecke zwischen Nord und Süd sowie die Wiederaufnahme des Touristenverkehrs aus Südkorea in die Ferienressorts des Kumgang-Gebirges Nordkoreas. Diese Projekte fallen bisher unter die Blockade durch die von der UNO beschlossenen internationalen Sanktionen.
Nicht zuletzt diese Daumenschrauben haben Nordkorea immer weiter in die Rezession geführt. Nach Berechnungen der Zentralbank in Seoul ist das Bruttoinlandprodukt in Pjöngjangs Staatswirtschaft 2017 um 3,5 Prozent auf magere 24,3 Milliarden Euro abgesackt. Einen ähnlich scharfen Einbruch hatte es zuletzt 1997 gegeben. Vor allem das Einfuhrverbot für Kohle aus Nordkorea – allein nach China jährlich 200 Millionen Dollar wert – zeigt Wirkung. Der Bergbau ging um elf Prozent zurück.
Neun Zehntel der Exporte fehlen
Die wenigen verlässlichen Zahlen über die Wirtschaftslage deuten darauf hin, dass die Exporte Nordkoreas seit Beginn der Sanktionen um 90 Prozent abgesackt sind, die Importe um 30 Prozent. Wie lange Pjöngjang das durchsteht, fragt sich der Seouler Ökonom Kim Byung Yeon. „Es hängt alles davon ab, wie lange die Sanktionen noch wirken“, sagt er.
Angesichts dieser Misere seines Gegenspielers setzt der Chef des Weißen Hauses alles auf die ökonomische Karte und preist Vietnam als Vorbild an. Nordkorea könne denselben Aufschwung nehmen wie das frühere Feindesland der USA. „Vietnam blüht auf wie wenige andere Orte der Welt. Nordkorea wäre schnell genauso, wenn es seine Atomwaffen abschafft“, sagte Trump. Das ist der Haken im fetten Fisch, den der Diktator aus Pjöngjang dafür schlucken müsste: die Abrüstung seines Arsenals an Atomwaffen und Raketen.