Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Schlechte Geschäfte
Seit zehn Jahren ist der Bund größter Aktionär bei der Commerzbank – Der Ruf nach einem Ausstieg wird lauter
FRANKFURT - Zehn Jahre nach der Teilverstaatlichung der Commerzbank fordern Politiker den Ausstieg des Staates. Die Beteiligung des Bundes sei kein Dauerzustand, sagte Antje Tillich, finanzpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag, gegenüber dem „Tagesspiegel“. Auch der finanzpolitische Sprecher der FDP, Florian Toncar, plädierte für eine „klare Strategie“der Bundesregierung, wie sie sich vollständig aus der Bank zurückziehen könne.
Die Übernahme der kriselnden Dresdner Bank mitten in der Finanzkrise hatte die Commerzbank zum Rettungsfall gemacht. Der Staat bewahrte das Institut mit Steuermilliarden vor dem Kollaps. Im November 2008 flossen zunächst 8,2 Milliarden Euro als stille Einlage. Am 8. Januar 2009 gab es weitere zehn Milliarden Euro aus dem staatlichen Bankenrettungsfonds – 1,8 Milliarden Euro davon dienten zum Erwerb einer direkten Beteiligung von 25 Prozent und einer Aktie. Mit dieser Sperrminorität wurde der Bund größter Anteilseigner der damals zweitgrößten deutschen Bank – es war die erste direkte Beteiligung des Bundes an einer großen Privatbank in Deutschland.
Aktuell ist der Staat zwar noch größter Aktionär, er hält aber nur noch 15,6 Prozent der Anteile. Denn vor knapp sechs Jahren stieß der Bund einen Teil des Aktienpaketes unter hohen Verlusten ab. Heute sind die verbliebenen Anteilsscheine noch 1,2 Milliarden Euro wert. Dividenden hat der Bund in dieser Zeit – wie auch die anderen Anteilseigner – nur einmal erhalten: 2015 gab es mickrige 20 Cent je Aktie. Genauso viel will die Bank ihren Aktionären auch für 2018 zahlen, denn immerhin hat Commerzbank-Chef Martin Zielke für das vergangene Jahr einen Gewinn in Aussicht gestellt, 752 Millionen Euro Überschuss waren nach neun Monaten in der Kasse.
Rosig ist die Lage der Bank dennoch nicht, die Restrukturierung ist noch nicht abgeschlossen. Immer noch sind zu viele Mitarbeiter an Bord. Bis Ende des kommenden Jahres werden 7300 Stellen gestrichen. Zudem leidet die Bank unter den Niedrigzinsen. Das zeigt sich im Aktienkurs: Der hat sich in den vergangenen drei Monaten mit einem Minus von 28 Prozent deutlich schlechter als der europäische Bankensektor entwickelt, der nur 18 Prozent verlor. Markus Rießelmann, Analyst von Independent Research, führt das auf den Rückgang der langfristigen Kapitalmarktzinsen zurück. Denn die Commerzbank erwirtschaftet die Hälfte ihrer Erträge aus dem Zinsüberschuss. Wegen der schlechten Kursentwicklung musste die Bank im September auch den Dax verlassen und stieg in die zweite Börsenliga des MDax ab.
Die für die Bank ungünstige Lage an den Kapitalmärkten dürfte sich wegen der Unsicherheiten durch den Brexit oder die Zukunft Italiens kaum ändern. „Es deutet nichts auf einen für die Commerzbank nötigen langsamen und stetigen Anstieg der langfristigen Kapitalmarktzinsen hin“, sagt Analyst Rießelmann.
Schlechte Aussichten also für den Bund, seine Anteile in näherer Zukunft gewinnbringend abzustoßen. Immerhin haben die zwischenzeitlich aufgekommenen Fusionsphantasien mit der Deutschen Bank dem Kurs wieder etwas Auftrieb gegeben. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte sie indirekt angeregt, als er vor einigen Monaten die Idee eines „nationalen Bankenchampions“aufgebracht hatte. Doch weder der aktuelle Zustand der Commerzbank noch der der Deutschen Bank lassen das zu. „Zwei Kranke schaffen keinen Gesunden“, sagen Analysten immer wieder. Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte in der Vergangenheit die Politik vor „politisch forcierten“Zusammenschlüssen gewarnt. Fusionen müssten einer betriebswirtschaftlichen Logik folgen, mahnte Weidmann: „Wir haben nicht die Erfahrung gemacht, dass staatliche Einmischung dabei nützlich ist.“
Auch die Bankvorstände selbst winken noch ab – sie wissen, dass sie ihre Häuser erst einmal sanieren müssen. Deshalb sei eine Fusion „bis auf Weiteres“unwahrscheinlich, glaubt auch Analyst Rießelmann. Profitieren können von diesen Gerüchten nur Spekulanten, die auf ein kurzfristiges Börsenhoch setzen.