Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Müllsündern bleibt Überwachung erspart
Stadt Weingarten lehnt Videokameras aus Datenschutzgründen ab – anders in Ehingen
WEINGARTEN - Das Dauerthema illegale Müllentsorgung lässt Weingarten nicht los. Zwar hatte die Stadt im Januar dieses Jahres verkündet, das Problem nun im Griff zu haben. Doch nun kam es in der jüngsten Gemeinderatssitzung wieder auf den Tisch.
Horst Wiest, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler Weingarten, hatte in einer E-Mail bereits Anfang September gebeten, die Verwaltung möge bitte prüfen, ob die Orte der rollenden Wertstoffkiste per Video überwacht und somit Müllsünder überführt werden können. Denn aus seiner Sicht ist das Müllproblem, wie die Stadt betont hatte, keineswegs gelöst. Mit einer Aktion habe man ab August vergangenen Jahres eine Entsorgungsfirma beauftragt, in zeitnahen Abständen zusätzliche Einsätze zu fahren. Die Idee folgt der „BrokenWindow-Theorie“, wonach eine zerbrochene Fensterscheibe schnell repariert werden muss, um weitere Zerstörungen am Haus zu verhindern. Das Resultat der Aktion: Im August sammelte die Firma bei zehn Einsätzen 3,77 Tonnen wilden Müll, im November bei zwei Einsätzen – mehr waren nicht nötig – nur noch 0,76 Tonnen.
Gleichzeitig erhöhte die Stadt empfindlich das Bußgeld für angezeigte Vergehen. 100 Euro muss ein Umweltsünder schon beim ersten Vergehen hinblättern. Zusätzlich kontrolliere weiterhin der Müllsheriff an den verschiedenen Orten. Seine Befugnisse sind jedoch eingeschränkt. Er darf keine Personalien aufnehmen und lediglich mit deutlichen Worten auf den Verstoß aufmerksam machen.
Verstoß gegen das Grundgesetz?
Doch anscheinend greift diese Maßnahme dauerhaft nicht. „Am Festplatz ist am Freitag um 18 Uhr, wenn die Wertstoffkiste schließt, der Müll weg. Am Samstagvormittag liegen dort wieder zwanzig Gelbe Säcke“, ärgert sich Wiest. Deshalb regte er eine Videoüberwachung an, um Müllsünder zu überführen. Außerdem bat er zu prüfen, wie hoch die Kosten für die Installierung der Kameras seien.
Erfolge in Ehingen
Beim Thema „Videoüberwachung“klingeln die Ohren. Sofort sind die Themen „Datenschutz“, „Überwachungsstaat“und „Grundrechte“auf dem Tisch. Wiests Anfrage hat die Stadt genau damit abgelehnt. „Die Überwachung des gesamten Festplatzes ist aufgrund des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 2 Absatz 1,2 und Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes sehr bedenklich“, heißt es in der schriftlichen Begründung. „Der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung würde hier dem Interesse der Aufklärung von Ordnungswidrigkeitstatbeständen überwiegen.“Kurz gesagt: Die Videoüberwachung zur Entlarvung von Müllsündern verstößt gegen das Grundgesetz.
Man könnte Wiests Forderung für eine Schnapsidee halten. Doch sie hat einen realen Hintergrund. Er verweist in seiner Anfrage auf die Stadt Ehingen. Denn Ehingen überwacht seit dem Frühjahr dieses Jahres einen Müllplatz mittels einer Videoüberwachungsanlage. Ähnlich wie in Weingarten entsorgen Bürger ihren Müll in regelmäßigen Abständen neben den Containern am Stadion. Mithilfe der Kamera, die auch nachts gestochen scharfe Bilder macht, konnten inzwischen einige Umweltverschmutzer zur Rechenschaft gezogen und mit einer empfindlichen Geldbuße belegt werden. „Die Stadt zieht ein positives Fazit“, sagt die Pressesprecherin Bettina Gihr.
Und wie steht es mit dem Datenschutz? „Die Entscheidung, die Maßnahme durchzuführen, haben wir in enger Absprache mit unserem Datenschutzbeauftragten getroffen“, erklärt Gihr. Dieser argumentiert ganz anders. Nach Paragraf 18 Landesdatenschutzgesetz können öffentliche Räume bei Vorliegen bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen mit Videokameras überwacht werden. „Nach Abwägung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass die Notwendigkeit des Schutzes der Rechtsgüter die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwog“, erläutert Gihr. „Alle Voraussetzungen waren in diesem Fall erfüllt, sodass die Maßnahme umgesetzt wurde.“
Stadt nimmt das Problem hin
Ob Weingarten ähnlich argumentieren könnte, um dadurch illegalen Müllentsorgungen auf den Pelz zu rücken, sei einmal dahingestellt. Was Wiest aber ärgert, ist, dass die Stadt diese Möglichkeit noch nicht einmal geprüft und in Ehingen nachgefragt hat. „Man hat sich bei meiner Anfrage keine Mühe gegeben“, sagt der FWWFraktionsvorsitzende. „Ich verstehe nicht, dass die Stadt das Problem so einfach hinnimmt.“