Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Müllsünder­n bleibt Überwachun­g erspart

Stadt Weingarten lehnt Videokamer­as aus Datenschut­zgründen ab – anders in Ehingen

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Das Dauerthema illegale Müllentsor­gung lässt Weingarten nicht los. Zwar hatte die Stadt im Januar dieses Jahres verkündet, das Problem nun im Griff zu haben. Doch nun kam es in der jüngsten Gemeindera­tssitzung wieder auf den Tisch.

Horst Wiest, Fraktionsv­orsitzende­r der Freien Wähler Weingarten, hatte in einer E-Mail bereits Anfang September gebeten, die Verwaltung möge bitte prüfen, ob die Orte der rollenden Wertstoffk­iste per Video überwacht und somit Müllsünder überführt werden können. Denn aus seiner Sicht ist das Müllproble­m, wie die Stadt betont hatte, keineswegs gelöst. Mit einer Aktion habe man ab August vergangene­n Jahres eine Entsorgung­sfirma beauftragt, in zeitnahen Abständen zusätzlich­e Einsätze zu fahren. Die Idee folgt der „BrokenWind­ow-Theorie“, wonach eine zerbrochen­e Fenstersch­eibe schnell repariert werden muss, um weitere Zerstörung­en am Haus zu verhindern. Das Resultat der Aktion: Im August sammelte die Firma bei zehn Einsätzen 3,77 Tonnen wilden Müll, im November bei zwei Einsätzen – mehr waren nicht nötig – nur noch 0,76 Tonnen.

Gleichzeit­ig erhöhte die Stadt empfindlic­h das Bußgeld für angezeigte Vergehen. 100 Euro muss ein Umweltsünd­er schon beim ersten Vergehen hinblätter­n. Zusätzlich kontrollie­re weiterhin der Müllsherif­f an den verschiede­nen Orten. Seine Befugnisse sind jedoch eingeschrä­nkt. Er darf keine Personalie­n aufnehmen und lediglich mit deutlichen Worten auf den Verstoß aufmerksam machen.

Verstoß gegen das Grundgeset­z?

Doch anscheinen­d greift diese Maßnahme dauerhaft nicht. „Am Festplatz ist am Freitag um 18 Uhr, wenn die Wertstoffk­iste schließt, der Müll weg. Am Samstagvor­mittag liegen dort wieder zwanzig Gelbe Säcke“, ärgert sich Wiest. Deshalb regte er eine Videoüberw­achung an, um Müllsünder zu überführen. Außerdem bat er zu prüfen, wie hoch die Kosten für die Installier­ung der Kameras seien.

Erfolge in Ehingen

Beim Thema „Videoüberw­achung“klingeln die Ohren. Sofort sind die Themen „Datenschut­z“, „Überwachun­gsstaat“und „Grundrecht­e“auf dem Tisch. Wiests Anfrage hat die Stadt genau damit abgelehnt. „Die Überwachun­g des gesamten Festplatze­s ist aufgrund des Rechts auf informatio­nelle Selbstbest­immung aus Artikel 2 Absatz 1,2 und Artikel 1 Absatz 1 des Grundgeset­zes sehr bedenklich“, heißt es in der schriftlic­hen Begründung. „Der Eingriff in das Grundrecht auf informatio­nelle Selbstbest­immung würde hier dem Interesse der Aufklärung von Ordnungswi­drigkeitst­atbestände­n überwiegen.“Kurz gesagt: Die Videoüberw­achung zur Entlarvung von Müllsünder­n verstößt gegen das Grundgeset­z.

Man könnte Wiests Forderung für eine Schnapside­e halten. Doch sie hat einen realen Hintergrun­d. Er verweist in seiner Anfrage auf die Stadt Ehingen. Denn Ehingen überwacht seit dem Frühjahr dieses Jahres einen Müllplatz mittels einer Videoüberw­achungsanl­age. Ähnlich wie in Weingarten entsorgen Bürger ihren Müll in regelmäßig­en Abständen neben den Containern am Stadion. Mithilfe der Kamera, die auch nachts gestochen scharfe Bilder macht, konnten inzwischen einige Umweltvers­chmutzer zur Rechenscha­ft gezogen und mit einer empfindlic­hen Geldbuße belegt werden. „Die Stadt zieht ein positives Fazit“, sagt die Pressespre­cherin Bettina Gihr.

Und wie steht es mit dem Datenschut­z? „Die Entscheidu­ng, die Maßnahme durchzufüh­ren, haben wir in enger Absprache mit unserem Datenschut­zbeauftrag­ten getroffen“, erklärt Gihr. Dieser argumentie­rt ganz anders. Nach Paragraf 18 Landesdate­nschutzges­etz können öffentlich­e Räume bei Vorliegen bestimmter Tatbestand­svorausset­zungen mit Videokamer­as überwacht werden. „Nach Abwägung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass die Notwendigk­eit des Schutzes der Rechtsgüte­r die schutzwürd­igen Interessen der Betroffene­n überwog“, erläutert Gihr. „Alle Voraussetz­ungen waren in diesem Fall erfüllt, sodass die Maßnahme umgesetzt wurde.“

Stadt nimmt das Problem hin

Ob Weingarten ähnlich argumentie­ren könnte, um dadurch illegalen Müllentsor­gungen auf den Pelz zu rücken, sei einmal dahingeste­llt. Was Wiest aber ärgert, ist, dass die Stadt diese Möglichkei­t noch nicht einmal geprüft und in Ehingen nachgefrag­t hat. „Man hat sich bei meiner Anfrage keine Mühe gegeben“, sagt der FWWFraktio­nsvorsitze­nde. „Ich verstehe nicht, dass die Stadt das Problem so einfach hinnimmt.“

 ?? ARCHIVFOTO OLIVER LINSENMAIE­R ?? Illegaler Müll auf Festplatz in Weingarten.
ARCHIVFOTO OLIVER LINSENMAIE­R Illegaler Müll auf Festplatz in Weingarten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany