Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Helden gibt es nicht
Scott Coopers „Feinde“ist ein Abgesang auf den Mythos und ein atmosphärisch dichter Spätwestern
Im „Wilden Westen“ging es alles andere als heroisch zu. Die Grenzen zwischen richtig und falsch waren oft nur verschwommen erkennbar. Keine ganz neue Erkenntnis auf der Kinoleinwand; man spricht dann von Spät- oder Anti-Western. Berühmte Vertreter dieses Genres sind „Pat Garrett jagt Billy the Kid“oder Clint Eastwoods „Erbarmungslos“. „Feinde – Hostiles “von Scott Cooper stimmt den Abgesang auf das Heldentum im Grenzland aber besonders entschlossen an: Er zeichnet den amerikanischen Westen als traumatische Erfahrung, der sich niemand entziehen kann.
Der Film spielt im Jahr 1892, als die großen Schlachten bereits geschlagen waren. In der Erinnerung der Figuren sind die Auseinandersetzungen aber noch höchst präsent und auch jenseits der Schlachtfelder lauert ständig die Gefahr. Dies zeigt der atemberaubend inszenierte Auftakt von „Feinde“, als eine fünfköpfige Siedlerfamilie von Komantschen brutal überfallen wird. Als einzige Überlebende kann sich Rosalee Quaid (Rosamund Pike) in die Wälder retten.
Dieses Tempo hält der mehr als zweistündige Film aber keineswegs bei, vielmehr inszeniert er seine Anspannung meist eher unterschwellig. Im Mittelpunkt steht Kriegsveteran Captain Joe Blocker (Christian Bale), der im New-Mexico-Territorium stationiert ist. In unzähligen Gefechten hat er Indianer massakriert oder Gefährten an diese verloren und bereitet sich nun auf den Ruhestand vor. Davor haben seine Vorgesetzten aber noch eine besonders große Herausforderung parat: Ausgerechnet Blocker soll den unheilbar krebskranken Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi) samt Familie nach Montana begleiten, damit dieser im Stammesgebiet seiner Vorfahren sterben kann.
Quälende Erinnerungen
Nur unter größtem Druck nimmt Blocker den Auftrag an, lässt Yellow Hawk, der vor seiner siebenjährigen Gefangenschaft ein erbarmungsloser Krieger war, seine an Hass grenzende Abneigung deutlich spüren. Unterwegs trifft der Trupp auf Rosalee, die im zerstörten Farmhaus neben den Leichen der Familie ausharrt. Nach behutsamem Zureden schließt sie sich der Gruppe an – und wird im Laufe des Treks nicht der einzige Zu- oder Abgang bleiben.
Regisseur Cooper („Crazy Heart“) konnte seinen Film bis in die Nebenrollen herausragend besetzen. So verkörpert Rory Cochrane etwa Blockers Freund und Kampfgefährten Master Sergeant Metz, der offenkundig seit Jahren an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und kaum mehr etwas empfinden kann. Bale spielt seine Figur als abgehärteten Krieger, aber hinter dem imposanten Schnurrbart beginnt es zunehmend zu zucken, wenn sich im Laufe der Reise doch Gefühle an die Oberfläche hervorarbeiten. Auch Wes Studi, bekannt aus „Der mit dem Wolf tanzt“, ist eine unbestritten passende Besetzung – macht aber eine Schwäche des Drehbuchs deutlich: Denn das ist eindeutig auf die Perspektive Blockers ausgerichtet, Yellow Hawk bleibt eher eine Referenzfigur. Zwar entfaltet sich zwischen den beiden einstigen Feinden allmählich eine Beziehung, nicht zuletzt angesichts der erheblichen Spielzeit des Films hätte diese Dynamik aber weitaus mehr Raum verdient.
Für diese Schwäche im Drehbuch entschädigen die Entwicklung, die Pike ihrer vom Schicksal heimgesuchten Figur zukommen lässt, sowie die großartigen Landschaftsaufnahmen. So ist Cooper vielleicht nicht das ganz große Werk gelungen, das er hier erkennbar angestrebt hat; als atmosphärisch-reflektierter Spätwestern kann die Geschichte der Feinde aber dennoch überzeugen.
Feinde – Hostiles. Regie: Scott Cooper. Mit: Christian Bale, Rosamund Pike, Wes Studi. USA 2017. 134 Minuten. FSK ab 16 Jahre.