Schwäbische Zeitung (Laupheim)
EU sagt Plastikmüll den Kampf an
Kommission plant Verbot verschiedener Wegwerfartikel – Geteiltes Echo der Politik
BRÜSSEL - Mit einem Verbot von Plastiktellern, Trinkhalmen, Wattestäbchen und Ballonhaltern will die EU-Kommission die Vermüllung der Meere bremsen. Auch andere Wegwerfartikel aus Kunststoff sollen zurückgedrängt werden. „Diese Produkte werden nicht verschwinden, sie werden nur aus anderem Material sein“, sagte Kommissionsvize Frans Timmermans am Montag in Brüssel. „Sie können auch künftig ein Picknick organisieren, Cocktails trinken oder Ihre Ohren säubern.“EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) sagte dazu am Montag im SWR: „Ich habe in meiner Jugend mein Saitenwürstchen immer auf dem Papierteller gegessen.“
Für die Pläne erhielt die Kommission überwiegend Zustimmung, auch aus Deutschland. „Jede Plastikgabel, die an einem Strand landet, ist eine zu viel“, erklärte Maria Krautzberger, die Chefin des Umweltbundesamtes am Montag. „Allerdings ist klar: Mit Verboten allein kommen wir nicht weiter.“Entscheidend seien Anreize für die Nutzung von Mehrwegprodukten. Zudem gebe es für viele Gegenstände Alternativen ohne Kunststoff, zum Beispiel Wattestäbchen ohne Plastikanteil, Einweggeschirr aus Papier oder Holz sowie Strohhalme aus Metall oder Hartweizengrieß. Jedoch sei bei den Alternativen darauf zu achten, ob sie wirklich umweltfreundlicher seien.
Der Branchenverband Plastics Europe wandte sich gegen Verbote und eine einseitige Problematisierung von Plastik, räumte aber ein, „dass der leichtfertige Umgang mit Kunststoffabfällen in manchen Regionen der Welt inakzeptabel ist“. Nötig sei die Abkehr von der Wegwerfmentalität und der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft.
Die Kommission begründet ihren Vorstoß mit dem Schutz der Ozeane, wo nach Angaben der Behörde jährlich 500 000 Tonnen Plastikmüll landen. Mehr als 80 Prozent des Mülls in den Meeren sei Plastik. Die vorgeschlagene EU-Richtlinie nimmt gezielt zehn Einmalprodukte sowie ausrangierte Fischernetze ins Visier, die laut EU zusammen 70 Prozent des Mülls an Stränden ausmachen. Es gebe sehr gute Gründe für die Pläne, sagte Timmermans. „Wir glauben fest an diesen Vorschlag“, sagte der Niederländer. Bis 2030 könnten Umweltschäden im Wert von 22 Milliarden Euro vermieden werden, schätzt die Kommission. Verbraucher könnten durch die Umstellung auf haltbarere Waren und Mehrwegsysteme unter dem Strich 6,5 Milliarden Euro sparen.
Aus Berlin signalisierten Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) Zustimmung. Umweltschützer und Grüne bemängelten, dass die Pläne nicht weit genug gingen. Letztlich helfe nur konsequentes Recycling. Deutliche Kritik äußerte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. „Die Europäische Kommission kümmert sich mit ihren Vorschlägen nur um Schnickschnack. Wenn bald Luftballons mit Warnhinweisen zu möglichen Umweltauswirkungen versehen werden müssen, dann wird künftig jeder Kindergeburtstag zur Recyclingparty.“Zudem sieht er in der „Plastikabgabe“einen gefährlichen Präzedenzfall. Für das Erheben von Steuern seien in der EU die Mitgliedsstaaten zuständig: „Nur weil die Europäische Kommission mit dem Kampf gegen den Plastikmüll ein hehres Ziel vorschiebt, sollten wir von diesem Grundsatz nicht abweichen.“
BRÜSSEL - Kunststoffpartikel verschmutzen zunehmend die Weltmeere und gelangen in die Nahrungskette. Deshalb will Brüssel Wattestäbchen, Einweggeschirr und Luftballonhalter EU-weit verbieten. Die Hersteller sollen ferner Kampagnen gegen Plastikflaschen, Styroporcontainer und Einwegbecher finanzieren und deren Entsorgung bezahlen. Sie sollen außerdem beim Produktdesign darauf achten, dass die Komponenten besser recycelt werden können. Ministerrat und Parlament müssen dem Vorschlag aber noch zustimmen.
In der EU entstehen jedes Jahr 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle, von denen 40 Prozent verbrannt und rund 30 Prozent recycelt werden. Gerade Plastikgeschirr und gebrauchte Hygieneartikel finden sich gehäuft im Meer, den Binnengewässern und an den Stränden. Zusammen mit Plastikresten aus der Fischerei sind sie für 70 Prozent der im Meer nachgewiesenen Kunststoffe verantwortlich.
Mehr Aufklärung erwünscht
Die EU-Kommission will nun sämtliche Produkte verbieten, die durch umweltverträglicheres Material ersetzt werden können. In der Bevölkerung wachse der Wunsch, etwas gegen die Plastikberge zu unternehmen, heißt es in Brüssel. Knapp 90 Prozent der Befragten geben in Umfragen an, dass sie sich mehr Aufklärung und verstärkte Anstrengungen der Industrie wünschen, Plastikverpackung zu reduzieren. Das Maßnahmenpaket soll noch vor der Wahl zum Europaparlament im kommenden Jahr verabschiedet werden.
Ziel der Kommission ist es, bis 2030 nur noch Kunststoffverpackungen zuzulassen, die vollständig recycelt werden können. Dafür sprächen auch starke wirtschaftliche Argumente: die europäische Industrie könne eine Führungsrolle beim Reduzieren von Einweg-Kunststoffen übernehmen und erlange einen globalen Wettbewerbsvorteil. Dafür müsse sie in „innovative Technologien“investieren und ein „stärker kreislauforientiertes Modell“entwickeln. Besonders umweltschädliche oder gefährliche Produkte sollen verboten oder ihre Verwendung eingeschränkt werden. In einigen Mitgliedsstaaten gibt es solche Verbote bereits, etwa für Einweggeschirr oder Einwegbesteck aus Plastik.
Mit Recyling-Quoten will Brüssel dafür sorgen, dass ein größerer Teil der Verpackungen als bisher erneut zum Einsatz kommt oder wenigstens die Rohstoffe verwertet werden. Darüber hinaus will die Kommission nationale Kampagnen unterstützen, die das Problembewusstsein der Verbraucher stärken. Damit sei der Einsatz von Plastiktüten erfolgreich eingedämmt worden, heißt es aus der EU-Kommission. Bis 2025 soll bei Plastikflaschen eine Rücklaufquote von 90 Prozent erreicht werden – zum Beispiel durch ein Pfandsystem wie sie in Deutschland. Die Abfallwirtschaft, aber auch Häfen und Schifffahrt müssen ihr Abfallmanagement verbessern. Auf See eingesammelte Abfälle sollen nicht über Bord entsorgt, sondern an Land recycelt werden.
Abgabe von 80 Cent pro Kilo
Zur Strategie der Kommission gehört auch eine Abgabe auf nicht wieder verwertete Kunststoffe, die bereits am 2. Mai beschlossen wurde. Über die Höhe müssen die Regierungen einstimmig entscheiden, das Europaparlament muss zustimmen. Im Gespräch sind 80 Cent pro Kilo, die direkt in den EU-Haushalt fließen und die nationalen Beiträge entsprechend verringern könnten. Das würde geschätzt vier bis acht Milliarden Euro pro Jahr einbringen.
Die Höhe dieses Beitrags soll sich danach richten, wie hoch der Anteil von Plastikrestmüll in einem Mitgliedsstaat ist. Die Mitgliedsstaaten können sich das Geld durch eine nationale Plastiksteuer bei ihren Bürgern zurückholen oder die Abgabe aus ihrem normalen Haushalt bezahlen. Das dient zwei Zielen: Die EU würde mehr eigene Einnahmen erhalten, und die Mitgliedsstaaten hätten einen zusätzlichen Anreiz, sich intensiver um ihre Müllprobleme zu kümmern.