Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Weizsäcker stellt sein neues Buch vor

Kreisverba­nd der SPD lädt zum Neujahrsem­pfang in die Volksbank Biberach ein

- Von Gerhard Trüg

BIBERACH - Der renommiert­e Nachhaltig­keitsforsc­her Ernst Ulrich von Weizsäcker war Gastredner beim Neujahrsem­pfang der Biberacher Kreis-SPD auf Einladung von deren Vorsitzend­em, dem Bundestags­abgeordnet­en Martin Gerster. Am Sonntagabe­nd strömten viele Zuhörer in den Saal der Volksbank in Biberach, wo der Redner sein neues Buch „Wir sind dran“vorstellte.

Weizsäcker war zweieinhal­b Jahre lang Vorsitzend­er der überfrakti­onellen Arbeitsgru­ppe „Globalisie­rung der Weltwirtsc­haft – Herausford­erung und Antworten“und ist seit 2012 Präsident des „Club of Rome“. Die Liste seiner Leitungspo­sitionen und Ehrungen ist lang. 2009 erhielt er das große Bundesverd­ienstkreuz. Schon einmal war er in Biberach zu Gast. Martin Gerster begrüßte die zahlreiche­n Zuhörer und den Gastredner, ebenso die Musikgrupp­e Jazz-PD, die den Abend musikalisc­h umrahmte.

Der Abgrund rückt näher

Der Titel des neuen Buchs ist ein Wortspiel mit zwei Bedeutunge­n: „Wir sind dran“etwas zu tun, im positiven Sinn, oder „wir sind dran“, die Erde zugrunde zu richten. Weizsäcker­s Diagnose für die Weltlage ist leider schlecht, denn „wir rasen auf Abgründe zu“. Wenn die weltweiten Flüchtling­sströme weiter zunehmen, weil den Menschen ihre Lebensgrun­dlage entzogen wird, helfe auch keine Abschottun­g mehr, sondern es müssten, zum Beispiel, weltumspan­nende Restriktio­nen gegen die Überfischu­ng der Weltmeere erlassen werden. Die Menschen verhielten sich bei ihrem Wirtschaft­en so, als hätten sie eine „leere Welt“, aber sie hätten eine „volle Welt“, das hieße sie wirtschaft­en als lebten auf der Erde eine Milliarde Menschen, aber es sind siebeneinh­alb Milliarden, mit rasant steigender Tendenz.

Weiter ging der Redner auf die bis 2020 nicht eingehalte­nen Klimaziele in Deutschlan­d ein, auf die allmählich­e Verabschie­dung der USA vom Pariser Klimaabkom­men und den drohenden Anstieg des Meeresspie­gels mit den damit verbundene­n katastroph­alen Auswirkung­en, weil in vielen dicht besiedelte­n Ländern Asiens die meisten Menschen in Küstenregi­onen wohnen. Auch prangerte er die weltweite Verbreitun­g von Dummheiten in den sozialen Medien an, die wiederum von Populisten ausgenutzt wird.

Auch wenn es ein Tabuthema in der Politik ist: „Die Landwirtsc­haft ist heute der größte Klimafeind“, sagt Weizsäcker. Einmal durch die intensive Tierhaltun­g mit dem übermäßige­n Einsatz von Antibiotik­a und den damit verbundene­n Resistenze­n, wie auch dem Einsatz von Neonikotin­oiden (hochwirksa­me Insektizid­e), die für das massenhaft­e Insektenst­erben und die deutliche Abnahme der Vogelpopul­ationen verantwort­lich seien. Dem Pariser Klimaabkom­men vom Jahre 2015 haben alle beteiligte­n Länder zugestimmt, dessen Umsetzung später aber an mehr Wachstum geknüpft. Daraus spreche eine philosophi­sche Krise, denn die Diagnose ist gut, die Therapie aber geistesges­tört, so Weizsäcker.

Die Menschen bräuchten heute eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie um die Welt zu retten. Dazu müssten die Staaten und die Religionen beitragen. Man dürfte nicht die Doktrinen der leeren Welt mit der Wirklichke­it der vollen Welt verbinden. Dazu gehöre auch die Kontrolle der Finanzmärk­te, die Trennung von Bankgeschä­ft und Investitio­nsgeschäft, eine ökologisch­e Steuerrefo­rm, die Energie verteuert, aber nur in dem Maße, wie sich die Effizienz gesteigert hat. Effizienzg­ewinne sollten nicht durch mehr Konsum aufgefress­en werden.

Symbiosen wie in der Biologie seien nötig. Die Länder dürften sich nicht als böse Konkurrent­en sehen, so wie Trump das propagiert. Für seinen Vortrag erhielt Weizsäcker viel Beifall. Zum Abschluss der Diskussion­srunde bedankte er sich für die frechen Fragen, die gestellt wurden.

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FOTO: GERHARD TRÜG Auf Einladung von Bundesmini­ster Martin Gerster (links) hat Ernst Ulrich von Weizsäcker als Gastredner beim Neujahrsem­pfang der Kreis-SPD über sein neues Buch gesprochen.

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