Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mit dem besonderen Blick der HfG
Ehemalige Studenten besuchen Erstaufführung in Ulm
ULM (köd) Man muss diese Filme mit den Augen ihrer Zeit sehen: Am 28. Februar 1962 hatten junge Filmschaffende um die Filmemacher Alexander Kluge und Edgar Reitz mit einem „Oberhausener Manifest“eine cineastische Zeitenwende eingeläutet und „Papas Kino“für tot erklärt. Im gleichen Jahr noch wurde an der Ulmer Hochschule für Gestaltung eine der ersten Einrichtungen für Filmtheorie und Filmausbildung geschaffen – mit Kluge und Reitz als Dozenten. Günter Merkle holte für die diesjährigen am Wochenende im Lichtburg-Kino zu Ende gegangenen Ulmfilmtage Produktionen der HfGStudenten jener Zeit aus den Archiven und bereitete sie auf. Zur Erstaufführung kamen drei ehemalige Studenten der HfG-Abteilung für Filmgestaltung.
Man wollte weg vom „SchnulzenKino“, erklärte der mit vier GrimmePreisen und dem Bundesfilmpreis geehrte Autor und Regisseur Peter Schubert, der 1961 bis 1966 an der HfG zunächst Visuelle Kommunikation und dann Film studiert hatte. Filme sollten entstehen, die den Betrachter bewegen und die „aufklärten“, wie es der in Ulm lebende Regisseur Günther Hörmann ausdrückt.
Die HfG-Filme wie „Geigerin“oder „Die Ansichten des V.“sind Miniaturen – oft nur wenige Minuten lang. Damit sind sie eine cineastische Entsprechung der Erzählform der Kurzgeschichten. Die starke inhaltliche Verdichtung eines Stückes Leben ist bei den filmischen Miniaturen aber auch dem teuren Filmmaterial der 60er Jahre geschuldet: Fünf Minuten auf 35 Millimeter Normalfilm gedrehtes Material mussten eine Film-Minute ergeben. Etliche der gezeigten Kurzfilme sind dennoch von hoher ästhetischer Qualität. Sie sind experimentell, intellektuell mit einem Hang ins Absurde und auf der Suche nach Ausdrucksformen, die es bis dato nicht gegeben hatte. Da sind ein barfüßiger Petrus und ein römisch gewandeter Pilatus auf gemeinsamer Wanderung auf Wegen um Ulm. Brian Wood überlegt, ob die Welt, in der er lebt, schön ist oder hässlich.
Zum Teil sind die Filme – wie Peter Schuberts „Freundschaftswoche“aus dem Jahr 1965 – auch dokumentarisch: Die deutsch-amerikanische Freundschaftswoche des Jahres 1964, unterstützt von der US-Army, hält Details wie die Vermarktung von Cola und die Bierwerbung der Nachkriegszeit fest.
Der in Ulm lebende Günther Hörmann, der Starnberger Peter Schubert und die aus Köln angereiste Claudia von Alemann schilderten die radikale Atmosphäre der HfG. Lässig sei das Studium dort keineswegs gewesen, sondern anstrengend, verschult, theoretisch und faszinierend. Man lebte mehr in der Zukunft denn in der Gegenwart, berichteten die drei ehemaligen HfG-Studenten, und man war der bedingungslosen Überzeugung, dass Wissen und Wissenschaft den Menschen selbst und die Gesellschaft verändern können. Wie sehr sie die Vorlesungen Abraham Moles zur Informationstheorie und zur ästhetischen Wahrnehmung fasziniert hatten, berichtete Claudia von Alemann.
Die von Film-Studenten der HfG produzierten Filme lassen sich in verschiedene Typen gliedern: Ein wichtiges Kriterium war es deshalb beispielsweise, einen Sachverhalt so intensiv darzustellen, dass er sich vor den Augen des Zuschauers verändert. Spannung wurde erzeugt über einen Wechsel zwischen radikaler Annäherung und extensiver Distanz. Inhalte wurden mehrschichtig geschildert, sodass sich im Kopf des Betrachters eine Geschichte formt.