Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Armbrust-Angreifer vor Gericht
Schuss auf neuen Partner der Ehefrau abgegeben – Angeklagter bestreitet Tötungsabsicht
MÜNCHEN - Weil er seine Ehefrau und deren neuen Partner mit einer Armbrust töten wollte, muss sich ein 40-Jähriger seit Mittwoch vor Gericht verantworten. Mit seiner Beteuerung, dass er niemanden töten wollte, überzeugte der Angeklagte den Richter nicht – und das war nicht die einzige Ungereimtheit.
Nur ein einziges Mal an diesem ersten Prozesstag redet sich Viktor S. so richtig in Schwung – und zwar, als es um seine Hobbys geht. Bis hierhin hat der 40-jährige Angeklagte behäbig und mit schwerer Zunge gesprochen. Immer wieder gerät er ins Stottern, baut in seine Sätze unzählige „weiß nicht“und „oder so“ein. Und als ihm einmal gar das Geburtsjahr seiner Mutter nicht einfällt, murmelt er, der direkt aus der Untersuchungshaft ins Landgericht München gekommen ist: „Das ist der Haftschaden, da wird man dumm und vergisst alles.“
Allein als Richter Michael Höhne ihn fragt, ob er jemals Sport getrieben hat, richtet sich Viktor S. etwas auf, seine Augen blitzen und er gerät ins Schwärmen über „Sambo“, einen russischen Kampfsport, den er als Jugendlicher in Kasachstan gelernt hat. „Gegen diesen Kampf kommt keiner an“, betont er. Sogar einem Gegner mit Waffe sei man damit überlegen. „Das ist das Beste, wo’s gibt“, stellt der Deutsch-Kasache klar. „In ein, zwei Sekunden kann man einen Menschen töten.“
Wobei der 40-Jährige dann doch zu einer anderen, ungleich archaischeren Waffe gegriffen hat, als er seine Ehefrau und deren neuen Partner umbringen wollte – so schildert es zumindest der Staatsanwalt. Demnach soll Viktor S. im September 2016 mit einer Armbrust im Gepäck von seinem Wohnort in Niedersachsen nach München gefahren sein. Dort lauerte er dem neuen Lebensgefährten seiner Frau vor dessen Wohnung auf und feuerte aus vier Metern mit der Armbrust einen Metallpfeil auf den Kopf des Mannes.
„Er wollte das Überraschungsmoment nutzen und den Geschädigten mit dem ersten Schuss töten“, sagt der Staatsanwalt. Danach habe Viktor S. auch seine Frau umbringen wollen. Doch der Pfeil erwischte ihren Partner nur per Streifschuss am Hals; kurz darauf konnte der Mann den Angreifer überwältigen. Viktor S. habe die Trennung von seiner Frau nicht überwunden, heißt es in der Anklageschrift. Daher habe er sie und ihren Partner töten wollen – aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch, weshalb die Anklage auf versuchten Mord lautet. Bei versuchtem Mord kann die lebenslange Freiheitsstrafe, die es im Falle eines Mordes immer gibt, in eine Haftstrafe zwischen drei und 15 Jahren umgewandelt werden.
Angeklagter rechtfertigt Schläge
Viktor S. freilich, dieser schmächtige Mann in der zu weiten, blauen Gefängniskleidung, erzählt vor Gericht eine ganz andere Geschichte. Die Armbrust habe er als Geburtstagsgeschenk für seinen Sohn im Internet bestellt – weil Gitarren ausverkauft waren. „Ohne nachzudenken“, diese zwei Worte sagt der Angeklagte oft, habe er die Waffe eingepackt, als er nach München fuhr, wo er sich eine Wohnung suchen wollte – um näher bei seiner Frau zu sein. „Das macht keinen Sinn“, ermahnt ihn der Richter mehrfach.
Und doch berichtet Viktor S. unbeirrt, dass er sich nur zum Schlafen in die Büsche vor dem Wohnhaus gelegt habe. Dass er danach die Armbrust spannte, „weil ich ein Geräusch gehört habe, vielleicht ein Igel“. Und dass er schließlich abdrückte, weil der Partner seiner Frau ein Messer in der Hand gehabt hätte. Keinesfalls habe er ihn treffen wollen, gibt der Angeklagte an. „Wenn ich will, dann treffe ich. Ich habe mit fünf Jahren meine erste Waffe in der Hand gehabt. Ich treffe immer.“
Den Richter überzeugt das nicht: „Ich glaube Ihnen die gesamte Story nicht“, hält er dem Angeklagten vor. Zumal es eine Vorgeschichte gibt. Nachdem Viktor S. und seine Frau 1998 geheiratet hatten, gab es oft Streit, mehrfach wurde er handgreiflich. „Sie hat Stress gemacht“, sagt er im Gericht lapidar. Also habe er zugeschlagen – und ja, das habe sie auch „öfters“verdient, bekräftigt er auf Nachfrage.
Urteil Mitte Dezember erwartet
Im April 2015 ging die Beziehung in die Brüche, doch der Angeklagte wollte die Trennung nicht hinnehmen. Nachdem seine Frau bei ihrem neuen Partner eingezogen war, stellte er ihr nach – unter anderem tauchte er laut Anklage eines Nachts auf dem Balkon des Paars auf, in der Hand eine Eisenstange. Im Juli erließ ein Gericht auf Antrag der Frau ein Kontakt- und Annäherungsverbot, das Viktor S. aber ignorierte. Zwei Monate später fuhr er dann im Zug nach München – bewaffnet mit einer Armbrust.
Für den Prozess sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird Mitte Dezember erwartet.