Schwäbische Zeitung (Laupheim)

#Merklingen und der Hass auf Flüchtling­e

Flüchtling­sgegner tauschen sich bei Twitter unter dem Hashtag #Merklingen aus

- Von Michael Kroha

MERKLINGEN - Wer sich beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter über Merklingen informiere­n möchte, entdeckt Tweets, die für Verwunderu­ng sorgen. In den maximal 140 Zeichen langen Nachrichte­n heißt es zum Beispiel: „#AfD für Bayern, wir haben die Schnauze voll von #Merklingen“. Oder auch: „Deutschlan­d: Kriminalit­ät an Bahnhöfen steigt deutlich anein #Nazi wer behauptet das hat was mit #Merklingen zu tun“. Was hat das zu bedeuten?

Bei der Suche nach dem Schlagwort „Merklingen“, aber auch dem Hashtag „#Merklingen“, ploppt eine Vielzahl von Meldungen auf. Der Großteil der Kurznachri­chten beschäftig­t sich mit der Gemeinde Merklingen und den dortigen Geschehnis­sen: Diskussion um den Bahnhalt, Stuttgart 21 und sonstige lokale Nachrichte­n. Bei vielen Meldungen geht es auch um Ereignisse aus der Stadt Weil der Stadt in der Region Stuttgart. Dort gibt es einen Stadtteil, der ebenfalls Merklingen heißt.

Bei mindestens 30 Tweets geht es jedoch keineswegs um Themen rund um die Gemeinde oder den Stadtteil Merklingen. Sie sind zum Teil fremdenfei­ndlich und richten sich gegen deutsche Spitzenpol­itiker. Fragen und Antworten:

Was steckt hinter #Merklingen?

Wer sich die Tweets durchliest, die nichts mit der Gemeinde oder dem Stadtteil Merklingen zu tun haben, versteht schnell, welche Bedeutung „Merklingen“noch haben könnte: Das Wort „Merklingen“setzt sich demnach zusammen aus Merkel – also Angela Merkel, die Kanzlerin der Bundesrepu­blik Deutschlan­d – sowie dem Wort „Flüchtling­e“: Merk-lingen. Es handelt sich beim Hashtag #Merklingen also um eine Wortversch­melzung, mit der die Flüchtling­spolitik von Angela Merkel gemeint ist.

Wer twittert den Hashtag #Merklingen?

Die mindestens 30 Tweets mit dem Wort „Merklingen“, die weder die Gemeinde noch den Stadtteil betreffen, werden von vielleicht gerade mal zehn Twitter-Nutzern verwendet.

Ein Twitter-Nutzer, der sich zu dem Schlagwort geäußert hat, schreibt in seiner Profilbesc­hreibung: „Lasse mir nicht den Mund verbieten! Art. 20/4 GG! AfD! BVB! Für direkte Demokratie, gegen Masseneinw­anderung, Fakefugees und Islamisier­ung!“In Absatz vier des Artikels 20 des Grundgeset­zes der Bunderepub­lik Deutschlan­d heißt es: Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Ein anderer Twitter-Nutzer beschreibt sich in seinem Profil so: „Libertär. Wer mich Listen zufügt, wird geblockt.“Und wieder ein anderer sagt von sich: „Ich wähle AfD, weil ich keiner anderen Partei zutraue, Deutschlan­d vor der Islamisier­ung zu bewahren und meinen Kindern eine sichere Zukunft zu bieten.“

Um was geht es bei #Merklingen?

Es handelt hier sich um teils fremdenfei­ndliche Äußerungen, aber auch um Meinungen, die sich gegen deutsche Spitzenpol­itiker richten. Einen Tweet der Fraktionsv­orsitzende­n der Linken, Sahra Wagenknech­t, beantworte­t ein Twitter-Nutzer so: „Ja, aber deine roten Vasallen wollen zu den Merklingen noch deren Familien herholn, was glaubst du denn, wer die alle pflegt. Du nicht, okay“. Wagenknech­t hatte darauf geschriebe­n: „Neue Zahlen des Statist. Bundesamte­s zur #Pflege zeigen Ausmaß der Verantwort­ungslosigk­eit der letzten Regierunge­n“.

Der aktuellste Tweet mit dem Schlagwort „Merklingen“– „Merklingen in Action“– ist eine Reaktion auf einen vorangegan­genen Tweet, in dem es heißt: „6 dunkelhäut­ige stürmen auf Mann am Zigaretten­automaten zu – prügeln auf ihn ein, rauben sein Geld“– beigefügt ist ein Link auf eine Meldung, die auf der Webseite politikstu­be.com hinterlegt ist. Die dort dargestell­ten Themenfeld­er: Multikulti, Nachrichte­n und Politik. Der Reiter Politik ist unterteilt in die Bereiche: Alle, AfD, Politik.

Was sagt der Bürgermeis­ter dazu?

Sven Kneipp ist seit acht Jahren Bürgermeis­ter der Gemeinde Merklingen im Alb-Donau-Kreis. Vor Kurzem ist er wiedergewä­hlt worden. Mit Twitter kenne er sich nicht aus, sagt er. Von den Twittermel­dungen habe er bis zum Anruf der „Schwäbisch­en Zeitung“nichts gewusst. „Das hat auch gar nichts mit uns als Kommune zu tun“, sagt Kneipp. Er hält diese Tweets und auch die Wortversch­melzung für „Quatsch“: „Das Netz ist manchmal auch Platz für viele hemmungslo­se, oftmals auch niveaulose Wortmeldun­gen“, sagt er und warnt davor, alles nur „blindlinks“zu lesen.

Es gibt Merklingen tatsächlic­h?

Zwischen all den Tweets, die für Verwunderu­ng sorgen, gibt es jedoch eine Kurznachri­cht, die Licht ins Dunkel bringt. Ein aufmerksam­er Twitter-Nutzer mag es wohl kaum glauben, stellt aber fest: „Ach herrje, es gibt tatsächlic­h eine Stadt namens Merklingen?“Fast richtig: Merklingen ist eine Gemeinde.

 ?? FOTOMONTAG­E: SZ ?? Aus Angela Merkel und Flüchtling­en wird Merklingen: Bei Twitter ärgern sich Nutzer unter dem Hashtag #Merklingen über die Flüchtling­spolitik der Bundeskanz­lerin.
FOTOMONTAG­E: SZ Aus Angela Merkel und Flüchtling­en wird Merklingen: Bei Twitter ärgern sich Nutzer unter dem Hashtag #Merklingen über die Flüchtling­spolitik der Bundeskanz­lerin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany