Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Front National und AfD kämpfen mit denselben Problemen
Die erste Reaktion von Marine Le Pen war euphorisch ausgefallen. „Bravo an unsere Verbündeten von der AfD für dieses historische Ergebnis“, schrieb die Chefin der Rechtsaußen-Partei Front National (FN) im Kurznachrichtendienst Twitter nach dem Wahlerfolg der AfD bei der Bundestagswahl. Kurz darauf zeigte sich aber, dass beide Parteien in denselben Problemen stecken: In Frankreich verließ Le Pens Vize Florian Philippot den FN, in Deutschland geht die bisherige AfD-Chefin Frauke Petry eigene Wege. „Es passiert bei den Rechtspopulisten ziemlich häufig, dass der Wahlerfolg Auftakt für eine Reihe von Abspaltungen ist“, sagt der französische Spezialist für die extreme Rechte, Jean-Yves Camus.
In Frankreich trieb Le Pen ihren Vordenker in die Trennung, nachdem dessen antieuropäische Linie bei den Wahlen nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte. Die Tochter von Parteigründer Jean-Marie Le Pen hatte in der Stichwahl gegen Emmanuel Macron zwar mit knapp elf Millionen Stimmen das beste Ergebnis für ihre Partei erzielt, war aber unter den eigenen Erwartungen geblieben.
Im Gegensatz zur noch jungen AfD hat der FN in seiner mehr als 40 Jahre langen Geschichte schon mehrere Abspaltungen hinter sich. 1999 kehrte der damalige Vize Bruno Megret der Partei den Rücken und gründete eine neue Formation. Bei den Präsidentschaftswahlen 2002 kam er aber nur auf 2,3 Prozent, während Jean-Marie Le Pen es in die Stichwahl gegen Jacques Chirac schaffte. „Die Konsequenzen der Abspaltung messen sich nicht nur im Wahlergebnis, sondern auch in der Fähigkeit der Partei, über gut ausgebildete Leute zu verfügen. Mit Megret sind damals viele Parteikader gegangen“, sagt Camus. Zu spüren bekam das der FN auf lokaler Ebene, wo es ihm bei den Kommunalwahlen an geeigneten Kandidaten fehlte.
Isoliert statt koalitionsfähig
Die meisten Anhänger Megrets kamen aber zurück und besetzten unter Marine Le Pen Spitzenpositionen. Mit der 49-Jährigen wurde der FN 2014 bei der Europawahl stärkste Partei. Noch immer stoßen die Rechtspopulisten jedoch an eine „gläserne Decke“von 30 Prozent, die bei den Regionalwahlen 2015 verhinderte, dass sie eine der 13 Regionen gewannen. „In einem Wahlsystem, wo Koalitionen gebildet werden müssen, um zu gewinnen, bleiben die Frontisten isoliert“, sagt der FN-Experte Joël Gombin der Zeitung „Libération“.
Die Isolation ist allerdings nicht bei allen rechtspopulistischen Parteien in Europa gegeben. In Österreich, Italien und Finnland schafften es die Populisten bereits in die Regierung. „Um sich an der Regierung zu beteiligen, muss man seine Rhetorik mäßigen können“, sagt Camus. Das gelte auch für die AfD. „Wenn sie irgendwann einmal eine Koalition bilden will, muss sie nationalistische und antisemitische Sprüche vermeiden.“
Das tut der FN. Die Strategie der „Entteufelung“hatte Marine Le Pen nach dem Abgang ihres Vaters eingeleitet, der mehrfach wegen antisemitischer Äußerungen verurteilt worden war. Dennoch sehen laut einer Umfrage 58 Prozent der Franzosen den FN als Gefahr für die Demokratie. Allerdings steigt der Anteil derer, die die Positionen der Partei gutheißen. Kein Wunder also, dass Politiker der konservativen Republikaner mit scharf rechter Rhetorik verlorene FN-Wähler zurückholen wollen.