Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kanapee statt Kanada
„Silberrücken“Uli Boettcher lästert im Kulturhaus über sich und andere Ü50-Männer
LAUPHEIM - Wie sieht das Leben des Mannes jenseits der 50 aus? Das hat Schauspieler und Kabarettist Uli Boettcher in seinem neuesten Bühnenprogramm „Ü 50 – Silberrücken im Nebel“am Samstagabend im Laupheimer Kulturhaus mit viel Selbstironie, Witz und sehr schlagfertig beschrieben. Sehr zur Begeisterung seines Publikums.
Den Applaus zu Beginn seines Auftrittes interpretierte Boettcher als pure Erleichterung darüber, dass er, entgegen seinem Werbeplakat für das neue Programm, doch angezogen auf der Bühne erschienen sei. Die auf dem Plakat dargestellte Nacktheit solle als Symbol gelten für die nackte Wahrheit, die alle an diesem Abend erfahren würden, so der Kabarettist.
Er habe erkannt, dass er mit Ü 50 jetzt ein Silberrücken sei, analog zur Welt der Gorillas. Ein Anführer – stark und zuverlässig, aber auch auf dem Weg zum Recycling, wobei „Re“gleichbedeutend sei mit zurück zum Säugling, pflegebedürftig und zahnlos. Vorbei seien die Zeiten der Jugend, als ein Schmerz an einem Körperteil am nächsten Morgen wieder weg gewesen sei. Heute bleibe dieser wie ein Panini-Bildchen des Alters.
Das Knie ist der Boss
Früher habe er etwa mit seinem Knie Schindluder getrieben und ihm immer neue Sportarten zugemutet. Heute sei das Knie der Boss. Kein Squash mehr, sondern schonendes Fahrradfahren sei angesagt. Körperteile bekämen ab 50 eine besondere Stellung, so Boettcher weiter. Vor allem der Schließmuskel, der alles drinnen behalten soll, was nicht nach draußen gehört. Bei ihm bedeute dies aber, dass er nicht mehr alles runterschluckt, sondern verbal mal seinem Ärger Luft macht. Da gebärdet er sich wie ein echter Silberrücken, trommelt mit den Fäusten auf die Brust und lässt richtig Dampf ab.
Von unerfüllten Träumen berichtet Boettcher, etwa von den Plänen, nach Kanada auszuwandern. Familienplanung und Kinder seien dazwischen gekommen und aus Kanada sei das Kanapee geworden. So rät er: „Man soll sich Träume so aussuchen, dass sie möglichst schwer zu erfüllen sind.“Dann habe man viel mehr davon.
Beim Abiturtreffen sei er geschockt gewesen, wie alt seine Mitschüler ausgesehen hätten. Er sei zwar auch nicht jünger geworden, aber deshalb mache er im Urlaub, wie etwa in Griechenland, gerne Fotos von sich vor Ruinen. „Weil do kommscht ganz jong rüber.“
Uli Boettcher sinniert auch über seine Jugendzeit und über seine erste unerfüllte Liebe. Irgendwie sei er beim Scheitern von Beziehungen immer Schuld gewesen. Das habe vielleicht auch an seinen ungestümen Hormonen gelegen, vermutet er, denn: „Die Chance, im Watt seine Kontaktlinsen wiederzufinden, ist größer, als im Gehirn eines Jugendlichen einen klaren Gedanken.“
Gorillas habe er in den Filmen von Bernhard Grzimek kennengelernt. Der Silberrücken als Anführer habe da seinen Harem gegen Nebenbuhler verteidigen müssen und am Ende seine Wunden geleckt. Da sei ihm klar geworden, niemals den Posten des Anführers anzustreben, sondern unterm Radar durchzuschlüpfen und Künstler zu werden.
In den Fängen der Mutter
Im zweiten Teil des Programms nahm sich Boettcher eines Themas an, welches jeden im Saal betreffe. Von den einen verehrt, von den anderen verflucht: „Die Mutter.“Schon bei der Geburt in ihre Hände gelangt, „kommsch do au nemme raus, egal wie alt du bisch oder welche hohe berufliche Position du hosch. Für dei Mutter bisch du emmer dr kloine Bua.“Boettcher hatte auch noch einen Tipp für alle männlichen Artgenossen: „Ihr müsst nicht alle Probleme lösen. Frauen können das – wir nicht.“Die schafften es, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. „ Männer haben zwar viele Klappen, aber sie wissen nicht, welche sie nehmen müssen.“
Seine abschließende Erkenntnis: Auch über 50 gebe es noch Überraschungen. Er rät, das Leben nicht so ernst zu nehmen und auch mal zu sagen: „Lass stecka.“Wenn jeder etwas gelassener sei und weniger hysterisch, dann werde die Welt besser.
Und wer gezielt etwas verbessern möchte, solle das dort machen, wo er es könne, in seiner eigenen Umgebung, so wie seine Oma schon gesagt habe: „Jedr soll erscht amol vor seiner eigana Tür kehra.“