Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Mobilität weiter denken
Die deutsche Autoindustrie hat größere Probleme zu meistern als den Umstieg von Verbrennungsmotoren auf den Elektroantrieb. Die drei großen Hersteller, BMW, Mercedes und VW, kontrollieren nach aktuellen Analystenschätzungen zusammen mit ihren Zulieferern und Händlern in Deutschland rund 85 Prozent der Wertschöpfungskette des Automobils. Dieser Anteil droht bis 2030 auf 50 Prozent zu sinken, wenn Mobilitätsdienstleister wie Uber, Google oder Apple autonom fahrende Taxis massentauglich machen.
Die Elektrifizierung der Modellpalette von BMW, VW und Daimler, die zwischen 2021 und 2025 erreicht werden soll, ist richtig und notwendig. Doch das Wachstum findet woanders statt, wenn sich nur wenige Jahre später jeder jederzeit und überall per App eine Fahrgelegenheit besorgen kann. Es muss ja nicht das fliegende Taxi wie in Dubai sein, aber allein in Europa sollen in diesem Segment Wachstumsraten von jährlich 25 Prozent möglich sein.
Mag sein, dass diese Entwicklung nicht ganz so schnell voranschreitet. Trotzdem ist es fraglich, ob sich ein Verkehrsmittel mit einer Auslastung von unter zehn Prozent, also der private Personenkraftwagen, noch einige Dekaden erfolgreich am Markt halten kann. Selbst Elektroautoguru Elon Musk, der mit Tesla übrigens nicht auf der IAA in Frankfurt vertreten ist, erweitert mit seinem Hochgeschwindigkeitstransportsystem Hyperloop jetzt schon den Horizont der Mobilität jenseits des E-Autos.
Knapp 46 Millionen Autos sind derzeit auf Deutschlands Straßen unterwegs, bis 2030 wären das bei ähnlichen Wachstumsraten wie bisher bereits über 50 Millionen. Was bringt ein eigenes E-Auto, wenn man damit wieder im Stau steht? Inzwischen, so scheint es, haben die großen deutschen Automobilmarken die Zeichen der Zeit erkannt. Die steigenden Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie neue Kooperationen zeigen das. Aber dass Verbrennungsmotoren, allen voran der Diesel, so stark in der Kritik stehen, macht die Finanzierung der Zukunft nicht einfacher.
m.schildgen@schwaebische.de